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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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des Todes, dachte Roy Grace. Graue Knochen. Graue Asche, die nach der Verbrennung übrig blieb. Graue Grabsteine. Graue Röntgenaufnahmen von Zähnen. Die grauen Wände des Leichenschauhauses. Ob man nun in einem Sarg oder einem Regenkanal verrottete, was von einem blieb, war unweigerlich grau.
    Die grauen Knochen lagen auf dem grauen stählernen Autopsietisch. Wurden von grauen stählernen Instrumenten untersucht. Selbst das Licht in diesem Raum war grau, ein seltsam ätherisches Licht, das durch die großen, blickdichten Fenster drang. Auch Geister waren grau. Graue Damen, graue Herren. Von ihnen gab es viele im Autopsieraum des städtischen Leichenschauhauses von Brighton and Hove. Die Geister von tausenden unglücklicher Menschen, deren sterbliche Überreste hier drinnen gelandet waren, in diesem tristen Bungalow mit den grauen Mauern aus Kieselrauputz, in einem grauen stählernen Kühlschrank, in dem sie blieben, bis sie die letzte Reise ins Bestattungsinstitut und dann in einen Sarg oder eine Urne antraten.
    Er schauderte unwillkürlich. Obwohl ihm die Besuche inzwischen weniger ausmachten, weil die Frau, die er liebte, hier arbeitete, fand er das Leichenschauhaus noch immer unheimlich.
    Auch das Skelett mit seinen künstlichen Fingernägeln, an dessen Schädel noch Haarsträhnen in der Farbe von Winterweizen hafteten, war ihm unheimlich.
    Und die ganzen Gestalten in grünen Kitteln waren ihm unheimlich. Frazer Theobald, Joan Major und Barry Heath, der erst kürzlich zum Team der Leichenbeschauer gestoßen war. Er war ein kleiner, ordentlich gekleideter Mann mit unbewegtem Gesicht, der von der Polizei herübergewechselt war und die unerfreuliche Aufgabe hatte, nicht nur alle Tatorte, sondern auch die Orte aufzusuchen, an denen Menschen durch Verkehrsunfälle oder Selbstmord ums Leben gekommen waren. Auch bei Autopsien war er zugegen. Weiterhin waren der Fotograf der Spurensicherung dabei, der jeden Schritt der Autopsie dokumentierte, und Cleos Assistent Darren, ein kluger, gut aussehender und freundlicher Typ um die zwanzig mit schwarzem Stachelhaar, der seine Karriere als Metzgerlehrling begonnen hatte. Dann noch Christopher Ghent, der hoch gewachsene und hoch gebildete Zahnforensiker, der damit beschäftigt war, Zahnabdrücke des Skeletts zu nehmen.
    Und schließlich Cleo. Sie war nicht im Dienst, aber dennoch hergekommen, da Grace, mit dem sie eigentlich verabredet war, schließlich auch arbeitete.
    Manchmal konnte er kaum glauben, dass er wirklich mit dieser Göttin zusammen war.
    Wie sie dastand, groß, mit langen Beinen und unglaublich schön trotz grünen Kittels und weißer Gummistiefel. Sie hatte das lange blonde Haar hochgesteckt und bewegte sich leichtfüßig und anmutig durch den Raum, ihren Raum, ihr Revier. Sie wirkte empfindsam und doch immun gegen das Grauen.
    Dabei fragte er sich die ganze Zeit, ob er durch eine furchtbare Ironie des Schicksals der Frau, die er liebte, dabei zusah, wie sie die Überreste der Frau, die er einmal geliebt hatte, untersuchte.
    Es roch stark nach Desinfektionsmittel. Der Raum war mit zwei stählernen Untersuchungstischen ausgestattet, von denen einer fest im Boden verankert war und der andere auf schwenkbaren Rollen stand. Auf diesem lag das Frauenskelett. Der Raum war mit einer blauen hydraulischen Winde, deckenhohen Kühlschränken und einer Reihe Waschbecken versehen, neben denen ein gelber Schlauch hing. Die Wände waren grau gefliest, an allen vier Seiten verlief eine Abflussrinne. Zur Ausstattung gehörten eine große Arbeitsplatte, ein metallenes Schneidbrett und eine Vitrine, in der Instrumente, Batterien und gruselige Überbleibsel, zumeist Herzschrittmacher, lagen.
    Daneben hing an der Wand ein Diagramm, in das der Name der Verstorbenen und das Gewicht der inneren Organe eingetragen wurden. Bisher war darauf nur ANONYME FRAU zu lesen.
    An diesem Nachmittag war es im Raum ziemlich eng, da bei Autopsien, die ein Gerichtsmediziner des Innenministeriums durchführte, mehr Personen zugegen waren.
    »Wir haben drei Füllungen«, sagte Christopher Ghent. »Zwei Kompositfüllungen. Einmal Amalgam. Ein Goldinlay. Eine Brücke, oben rechts, von sechs bis fünf.«
    Grace versuchte sich daran zu erinnern, welche Füllungen Sandy gehabt hatte, doch die Begriffe waren ihm zu technisch.
    Joan Major packte gerade eine Reihe von Gipsmodellen aus, die auf schwarzen Kunststoffsockeln befestigt waren und an Bruchstücke archäologischer Funde erinnerten. Er hatte sie schon

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