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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Wir haben einen Verdächtigen. An diesem Satz würde sie ihre Freude haben, weil sie auf diese Weise beim Chief Constable Eindruck schinden konnte. Und wenn ihr Chef glücklich war, war auch Alison Vosper glücklich.
    Und solange sie glücklich war, ließ sie Grace in Ruhe.
    55
    11. SEPTEMBER 2001 Nach einer erfrischenden Dusche, die den grauen Staub aus seinem Haar gespült und ihn halbwegs nüchtern gemacht hatte, fläzte sich Ronnie auf der rosa Bettdecke mit den Brandlöchern und rauchte eine Zigarette. Ein Kopfteil war im Preis von dreißig Dollar nicht inbegriffen, sodass er sich an die nackte Wand lehnen musste. Das Bild des klapprigen Fernsehers: ein einziges Schneegeriesel.
    Wieder und wieder sah er, wie sich die beiden Flugzeuge in die Zwillingstürme bohrten. Das brennende Pentagon. Das ernste Gesicht von Bürgermeister Giuliani, der die Arbeit von Polizei und Feuerwehr lobte. Das ernste Gesicht von Präsident Bush, der zum Krieg gegen den Terror aufrief. Die Gesichter der grauen Gespenster.
    Die schwachen Glühbirnen ließen das Zimmer noch düsterer aussehen. Ronnie hatte die schäbigen Vorhänge geschlossen, um sich den Blick auf die Wand des Nachbarhauses zu ersparen. In diesem Moment schien die ganze Welt jenseits des kleinen Zimmers ernst und düster.
    Seine Stimmung hingegen war trotz der hämmernden Kopfschmerzen ganz und gar nicht düster. Sicher, er war entsetzt über das, was er an diesem Tag gesehen hatte, über das Scheitern seiner Pläne. Doch in diesem Zimmer fühlte er sich sicher. Eingesponnen in seine Gedanken. Er genoss das Wissen, dass er auf die Chance seines Lebens gestoßen war.
    Ihm war eingefallen, dass er nicht nur seinen Pass, sondern auch sein Flugticket im Hotel zurückgelassen hatte. All das bereitete ihm überhaupt keine Sorgen.
    Zum x-ten Mal überprüfte er, ob sein Handy wirklich ausgeschaltet war, getrieben von der paranoiden Angst, es könne sich von selbst eingeschaltet haben und er würde plötzlich Lorraines Stimme hören, die vor Freude schrie oder, was wahrscheinlicher schien, vor Wut kreischte, weil er sie nicht angerufen hatte.
    Etwas krabbelte über den Boden. Eine dunkelbraune Schabe, mehr als einen Zentimeter lang. Er wusste, dass Küchenschaben zu den wenigen Lebewesen gehören, die sogar einen Atomkrieg überleben würden. Im Laufe der Evolution hatten sie einen Zustand der Vollkommenheit erreicht. Nur die Stärksten überlebten.
    Nun ja, auch er war ziemlich stark. Und jetzt, da sein Plan allmählich Gestalt annahm, wusste er genau, wie der nächste Schritt aussehen würde.
    Er stand auf, nahm die Plastiktüte aus dem Papierkorb und steckte die rote Mappe aus seiner Aktentasche hinein. Er wusste genau, welches Risiko er eingegangen war, als er den ganzen Tag Aktentasche und Koffer mit sich herumgeschleppt hatte. Er blieb stehen und horchte. Jetzt kam der Punkt in den Nachrichten, der ihn am meisten interessierte. Zum wiederholten Mal wurde gemeldet, dass alle zivilen Flüge abgesagt worden seien. Auf unbestimmte Zeit.
    Perfekt.
    Er zog die Jacke über und verließ das Zimmer.
    Es war Viertel vor sieben und noch hell, als er mit der Plastiktüte in der Hand zur geschäftigen Hauptstraße mit der Hochbahnbrücke ging.
    Er hatte seit dem Frühstück nichts gegessen, war aber auch nicht hungrig. Zunächst stand etwas Wichtigeres an.
    Erleichtert sah Ronnie, dass Mail Box City noch geöffnet hatte. Er überquerte die Straße und trat ein. Rechts befand sich die Wand mit den Schließfächern, und am Ende saß der langhaarige Mann von vorhin vor seinen Internetterminals. Hinter ihm befanden sich zwei leere Telefonkabinen. Links warteten drei Leute an der Theke. Ein Mann mit weißem Helm und Arbeitsanzug hielt ein Sparbuch hin und empfing einen Stapel Banknoten. Hinter ihm standen eine alte Frau mit unfreundlicher Miene und ein hoch aufgeschossenes Mädchen mit langem orangefarbenem Haar, das sich mit leerem Blick umschaute und ständig die Hände knetete.
    Ronnie stellte sich hinter dem Mädchen in die Schlange. Fünf Minuten später überreichte ihm der ergraute Mann hinter der Theke gegen eine Gebühr von fünfzig Dollar einen Schlüssel, der dünn wie eine Rasierklinge war, und eine Quittung. »31«, sagte er mit kehliger Stimme und deutete mit dem Finger hin. »Eine Woche. Sie kommen wieder, sonst Fach aufmachen. Rausnehmen. Verstanden?«
    Ronnie nickte und warf einen Blick auf die Quittung. Darauf waren Datum und Uhrzeit der Anmietung und die genaue Ablaufzeit

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