So gut wie tot
wieder. »Ist doch ganz einfach.«
Er nahm einen langen, entspannten Zug von seiner Zigarette, als genieße er, wie sie ihn beobachtete, wie sie förmlich nach einer Zigarette gierte. Er neigte den Kopf und ließ den blauen Rauch in einem Kringel zur Decke steigen.
»Ich sag dir was. Schlaf einfach mal drüber.«
Mit diesen Worten schloss er die Tür.
54
OKTOBER 2007 Roy Grace saß in der Soko-Zentrale 1 am Computer und kämpfte gegen den schlimmsten Kater, der ihn in seinem langen Leben jemals heimgesucht hatte. Sein Mund war trocken wie der Boden eines Papageienkäfigs, und eine Kettensäge wetzte ihre Zähne an seiner Schädeldecke.
Der einzige Trost war, dass Glenn Branson, der schräg gegenübersaß, nicht besser aussah als er selbst. Welcher Teufel hatte sie gestern Abend bloß geritten?
Sie waren auf einen Drink in den Black Lion gegangen, weil Glenn mit ihm über seine Eheprobleme sprechen wollte. Irgendwann gegen Mitternacht waren sie hinausgetaumelt. Wie viele Whiskys, Biere und Flaschen Rioja waren es wohl gewesen? Grace wollte lieber nicht darüber nachdenken. Er erinnerte sich verschwommen an eine Taxifahrt und dass Glenn mitgefahren war, weil seine Frau ihn in diesem Zustand nicht im Haus haben wollte.
Bei ihm hatten sie dann weiter Whisky getrunken, und Glenn hatte wie immer seine CD-Sammlung einer ausführlichen Kritik unterzogen.
Auch heute Morgen war er noch da gewesen, hatte im Gästezimmer gelegen und über seine unerträglichen Kopfschmerzen gejammert. Er spiele ernsthaft mit dem Gedanken, seinem Leben ein Ende zu setzen.
»Dienstag, 23. Oktober, 8.30 Uhr«, verkündete Grace.
Vor ihm lagen die aktuellen Unterlagen, daneben stand ein Becher Kaffee. Er hatte die Höchstdosis Paracetamol geschluckt, die leider nicht wirkte, und kaute Kaugummi, um seine Fahne zu tarnen. Er hatte seinen Wagen am Pub stehen lassen und beschlossen, ihn später am Vormittag zu Fuß abzuholen. Das würde ihm sicher gut tun.
Allmählich fürchtete er, die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum zu verlieren. Dass Cleo ein echter Schluckspecht war, war auch nicht gerade hilfreich. Vielleicht versuchte sie, auf diese Weise mit den grauenhaften Aspekten ihrer Arbeit fertig zu werden. Sandy hatte gern ein Glas Wein getrunken oder ein Bier an einem warmen Abend, doch das war dann alles gewesen. Cleo hingegen trank jeden Abend Wein, und meist blieb es nicht bei einem Glas, außer sie hatte Rufdienst. Oft leerten sie zu zweit eine ganze Flasche, tranken dazu ein oder zwei Gläser Whisky und öffneten manchmal noch eine zweite Flasche.
Bei seinem letzen Check-up hatte der Arzt gefragt, wie viele Einheiten Alkohol er in einer Woche zu sich nehme. Da Grace glaubte, dass zwanzig bei Männern im Rahmen des Erlaubten lägen, hatte er gelogen und siebzehn angegeben. Daraufhin hatte der Arzt die Stirn gerunzelt und ihm geraten, es auf weniger als fünfzehn zu reduzieren. Nach einem raschen Blick in ein Berechnungsprogramm, das er im Internet gefunden hatte, entdeckte Grace, dass sein Wochendurchschnitt bei zweiundvierzig Einheiten lag. Nach gestern Abend würde er den Wert in dieser Woche locker verdoppeln. Er schwor sich, nie wieder einen Tropfen anzurühren.
Bella Moy stopfte sich schon zu dieser frühen Stunde mit Schokolade voll. Obwohl sie gewöhnlich keinem welche anbot, schob sie Grace diesmal die Schachtel hin.
»Roy, Sie sehen aus, als könnten Sie ein bisschen Zucker vertragen.«
»Ist das so offensichtlich?«
»Nett gefeiert?«
Grace warf einen Blick auf Glenn. »Schön wär’s.«
Er nahm den Kaugummi heraus, aß einen Malteser und nahm noch drei. Davon wurde sein Zustand jedenfalls nicht schlimmer. Er kippte Kaffee hinterher und steckte den Kaugummi wieder in den Mund.
»Coca-Cola«, schlug Bella vor. »Mit allem Drum und Dran, nicht das Diätzeug. Ist gut gegen Kater. Und ein großes englisches Frühstück.«
»Da spricht die Erfahrung«, warf Norman Potting ein.
»Ich pflege keinen Kater zu haben«, servierte sie ihn ab.
»Unsere eiserne Jungfrau«, knurrte Potting.
»Das reicht, Norman«, sagte Grace und lächelte Bella zu, bevor sie auf den Köder ansprang.
Dann kam er wieder zur Sache und las die Informationen vor, die Norman Potting am vergangenen Abend über das Ehepaar Wilson vorgelegt hatte. Der Ehemann sei am 11. September 2001 im World Trade Center gestorben. Dann schaute er Norman an. »Gute Arbeit.«
Der DS grunzte nur, wirkte aber sehr zufrieden.
»Was wissen wir über Joanna Wilson?
Weitere Kostenlose Bücher