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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Bitte.
    Wieder starrte sie auf die Fliesen.
    Verdammt, es war wirklich paradox, dass sie ausgerechnet hier drinnen gefangen war. Auf diese Fliesen blicken musste. So nah dran. So verdammt nah! Ihre Gedanken wirbelten durcheinander.
    Sie musste zu Ricky durchdringen, irgendwie. Ihn dazu bringen, das Klebeband von ihrem Mund zu entfernen. Wenn er vernünftig war, würde er genau das tun.
    Aber er war nicht vernünftig. Der Gedanke ließ ihr Blut gefrieren.
    64
    12. SEPTEMBER 2001 Um kurz nach halb acht trat Ronnie aus der Tür der Pension, hellwach und aufmerksam. Der Himmel war strahlend blau, es war ein wenig dunstig, und die Morgenluft hätte eigentlich taufrisch sein müssen, doch stattdessen drang ihm ein beißender, säuerlicher Gestank in die Nase.
    Zuerst dachte er an die Mülleimer, doch der Geruch begleitete ihn die Straße entlang. Wie ein feuchtes Schwelen, chemisch, sauer und klebrig. Seine Augen schmerzten, als hätte er winzige Sandkörner unter den Lidern.
    Auf der Hauptstraße herrschte eine seltsame Atmosphäre. An diesem Mittwochmorgen waren kaum Autos zu sehen. Die Menschen gingen langsam, wirkten mitgenommen und verstört, als hätten sie schlecht geschlafen. Die ganze Stadt schien unter Schock zu stehen. Die fürchterlichen Ereignisse des Vortages waren nun allen ins Bewusstsein gedrungen und an diesem Morgen finstere Realität geworden.
    Er entdeckte ein Café, das nicht nur in Kyrillisch, sondern auch in roter Schrift auf Englisch für sein GANZTÄGIGES FRÜHSTÜCK warb. Drinnen sah er einige Leute, darunter zwei Polizisten, die schweigend aßen und dabei Nachrichten schauten.
    Ronnie setzte sich in eine Nische weiter hinten. Eine bedrückte Kellnerin schenkte ihm Kaffee ein und stellte ein Glas Eiswasser auf den Tisch, während er mit ausdrucksloser Miene die kyrillische Speisekarte studierte, bevor er bemerkte, dass es auf der Rückseite eine englische Übersetzung gab. Er bestellte frisch gepressten Orangensaft und einen Stapel Pfannkuchen mit Speck und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu. Es war kaum zu glauben, dass seit dem letzten Frühstück erst vierundzwanzig Stunden vergangen waren. Ihm kam es eher wie vierundzwanzig Jahre vor.
    Nachdem er gefrühstückt hatte, ging er erneut zu Mail Box City. Derselbe junge Mann saß am Computer, während eine dünne dunkelhaarige Frau, die den Tränen nahe schien, an einem anderen Platz saß. Ein nervöser Kahlkopf in Latzhose, der stark zitterte, räumte Gegenstände von einer Reisetasche in ein Schließfach, wobei er sich verstohlen umsah. Ronnie fragte sich, was wohl in der Tasche sein mochte, schaute aber geflissentlich weg.
    Das war nun seine Welt, die Welt der Durchreisenden, Besitzlosen, Armen und Flüchtlinge. Ihr ganzes Dasein kreiste um Orte wie diesen, an dem sie ihre wenigen Habseligkeiten unterbringen und die Post abholen konnten. Niemand kam hierher, um Freunde zu finden, sondern um anonym zu bleiben. Genau das, was er brauchte.
    Ronnie sah auf die Uhr. Halb neun. Noch etwa eine halbe Stunde, bevor die Leute, mit denen er sprechen wollte, ins Büro kämen. Vorausgesetzt, sie kamen überhaupt. Er bezahlte für eine Stunde Internet und setzte sich an ein Terminal.
    *
     
    Um halb zehn betrat Ronnie eine der Telefonkabinen an der hinteren Wand, warf einen Vierteldollar ein und wählte die erste Nummer auf der Liste, die er bei seiner Internetsuche zusammengestellt hatte. Während er wartete, betrachtete er die Löcher in der schalldämpfenden Verkleidung der Kabine. Sie erinnerten ihn an die Telefone im Gefängnis.
    Die Stimme am anderen Ende riss ihn aus seinen Gedanken. »Abe Miller Associates, Abe Miller am Apparat.«
    Der Mann war nicht unhöflich, doch Ronnie spürte, dass er kein echtes Interesse an Geschäften hatte. Vielleicht sah er keinen Sinn mehr darin, noch Geld zu verdienen, wenn die Welt jederzeit untergehen konnte. So jedenfalls hörte es sich für Ronnie an.
    »Eine Edward, ein Pfund, ungestempelt, postfrisch«, sagte Ronnie, nachdem er sich vorgestellt hatte. »Perfekte Gummierung, kein Falz.«
    »Woran dachten Sie?«
    »Ich habe vier davon. Ich dachte an viertausend pro Stück.«
    »Bisschen viel.«
    »Nicht in dem Zustand. Der Katalogpreis ist doppelt so hoch.«
    »Die Sache ist die. Ich weiß nicht, wie sich das alles hier auf den Markt auswirken wird. Die Aktien sind im Keller. Ich weiß, wovon ich rede.«
    »Eben, das hier ist besser als Aktien. Wertbeständiger.«
    »Ich weiß nicht, ob ich gerade

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