So habe ich es mir nicht vorgestellt
sie sie mit einem spitzen Fingernagel gekratzt habe – die Nägel an den schmalen, zarten Händen der Frau waren kurz geschnitten –, und dann erkundigte sie sich, ob der Druck besonders heftig gewesen sei.
»Es reicht eine einfache Berührung«, erklärte die Frau ruhig, »das ist der Sinuspunkt, und ihre Nebenhöhlen sind voll, vielleicht hat sie sogar eine leichte Entzündung, wegen der Blütezeit reagieren viele Leute allergisch.«
»Kann man eine Sinusitis durch Druck auf die Füße behandeln?« fragte Jo’ela schnell, die Frau nickte und bewegte ihren Körper, wie um Kraft in ihre Arme zu schütteln und von dort in die Hände, die auf Hilas Füßen lagen.
Wegen Jo’elas ununterbrochenen Fragen schaffte Hila es nicht, irgendwelche außerordentlichen Reaktionen ihres Körpers wahrzunehmen, falls sie überhaupt wahrnehmbar waren. Vor allem hätte sie sich gern nach dem Zahnfleisch erkundigt, doch Jo’ela schuf wie mit Absicht eine Atmosphäre, in der simple Fragen zu einer Dummheit werden konnten. Wegen Jo’ela stand die Frau von dem kleinen Hocker auf und erklärte mit ihrer klaren, leisen Stimme: »Die Füße eines Menschen und die Art, wie er sie benutzt, sind ein deutlicher Beweis dafür, wie stabil er ist und wie er auf dem Boden steht.«
»Ein deutlicher Beweis«, wiederholte Jo’ela die Worte und verlieh ihnen einen hochmütigen, spöttischen Ton.
Aber die Frau, die diese Töne offenbar nicht wahrnahm, weil sie so gar nicht zu dem einfachen, kühlen Zimmer paßten, das in der beginnenden Abenddämmerung vom Duft der Orangenblüten durchzogen wurde, erklärte gutwillig und bescheiden, während sie Hilas Füße weiter massierte, die physische Erdgebundenheit eines Menschen lasse oft Rückschlüsse auf die Erdgebundenheit seiner Gefühle zu, deshalb könne man aus dem Aussehen der Füße viel lernen. Hila schloß rasch die Augen, als sie den zweifelnden Ausdruck auf Jo’elas Gesicht sah. Die Frau schien nichts zu bemerken, sie sprach weiter, wies auf die flache Wölbung von Hilas Fußsohle hin, die ein klares Zeugnis ablege – »Ohne daß ich sie kenne«, sagte sie entschuldigend – für Hilas Schweben, für ihre mangelnde Fähigkeit, sich in Dinge zu vertiefen. »Habe ich recht?« fragte sie schnell, und Hila nickte, obwohl sie überhaupt nicht daran zweifelte, daß sie sich in Dinge vertiefen konnte, und keineswegs schwebte, aber hier war nicht der Ort, das zu diskutieren. Das ruhige, gelassene Gesicht der Frau zeigte nun einen Ausdruck der Zufriedenheit, der keinen Platz ließ für einen Irrtum, und sie sagte: »Ja, das sieht man sofort.«
»Also dann«, murmelte Jo’ela, als sie sich selbst auf den schmalen, hohen Behandlungstisch legte und einen Arm in den Nacken schob. »Hat jeder Punkt des Körpers seine Entsprechung im Fuß?«
»Jeder einzelne«, versicherte die Frau.
»Und wo ist die Entsprechung der Fußsohle auf der Fußsohle?«
Für einen Moment war die Frau verwirrt und ließ Jo’elas Fuß los, als müsse sie über diese Frage erst einmal nachdenken. »Die gibt es nicht«, bekannte sie schließlich. »Die Fußsohle hat keine Entsprechung auf der Fußsohle.«
»Aha.« Jo’ela lächelte befriedigt und lauschte mit hochgezogenen Augenbrauen den Erklärungen über die Größenverhältnisse der Zehen, daß sich zum Beispiel die Rationalität an den Ausmaßen des großen Zehs erkennen lasse.
»Es ist nicht nur eine Frage der Länge, sondern auch der Form und der Dicke«, sagte die Frau mit einer Ernsthaftigkeit, die durch Jo’elas Nicken ins Lächerliche gezogen wurde.
»Ist das eine Weisheit aus dem Fernen Osten, aus China?« wollte Jo’ela wissen.
»Da sind wir nicht ganz sicher«, sagte die Frau entschuldigend. »Wir glauben, daß ihre Wurzeln im alten Ägypten liegen.«
»Im alten Ägypten also«, murmelte Jo’ela und fuhr plötzlich mit einem überraschten Schmerzensschrei hoch. »Das hat weh getan!« beschwerte sie sich.
»Ja, das ist bei allen ein empfindlicher Punkt«, sagte die Frau, und ihre Hand umfaßte die Fessel, der Daumen lag unterhalb des Knöchels auf der Innenseite der Wölbung. »Dieser Punkt ist die Gebärmutter«, erklärte sie.
»Die Gebärmutter!« sagte Jo’ela und setzte sich auf dem Behandlungstisch auf und starrte ihren Fuß an. »Und was haben Männer an dieser Stelle? Ist bei ihnen da nichts?« Mit einem unbehaglichen Lachen legte sie sich wieder hin, mit gespanntem Rücken, die Beine dicht nebeneinander.
»Bei ihnen befindet sich auf der
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