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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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der aus allem den größten Genuß ziehen kann. Außerdem verzerrt Neptun die Gerechtigkeit. Er zwingt sie in kleine Karos. Und die Gerechtigkeit der kleinen Karos erleben Sie. Eine Hälfte von Ihnen lebt das Leben des Neptun, das heißt abgetrennt von den Dingen, sehr oft auch abgetrennt von Ihnen selbst, viele Reibungen mit der Kunst, das heißt Liebe zu den schönen Dingen und eine ganz außergewöhnliche empathische Kraft. Wissen Sie, was das heißt? Die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen, sie führt oft zu völliger Hingabe und Selbstzerstörung. Das sind die Auswirkungen des Neptun.« Sie seufzte. »Die Seele geht Richtung Krebs, Ziele zu finden, vollkommene Kontinuität, die Grenzen kennt, Rückgrat, Verständnis der Materie, die Bewältigung der Unsicherheit, denn der Neptun gibt sehr viel Unsicherheit … Der Krebs lehrt, wie man den Hebel der Unsicherheit ergreift und eine gesunde Basis daraus aufbaut. Deshalb weiß ich nicht, wann Sie aufgehört haben, den Neptun zu leben, und angefangen haben, den Krebs zu leben.«
    »Das habe ich noch nicht gelernt«, meinte Hila grinsend.
    »Saturn kann besonders gut Einschränkungen bewältigen, auch Mängel, und trotzdem voller Hoffnung sein. Denn durch den Pessimismus findet er den Weg zum Optimismus.«
    »Ist das etwas Positives?«
    Jo’ela stöhnte und ging mit lauten Schritten zu dem kleinen Fenster zur Straße. Warum mußte Hila dieser Frau da drüben unbedingt etwas beweisen? Und warum erlaubte sich die Frau, einfach weiterzureden, als habe Hila nichts gesagt? Auf der Straße liefen Kinder zwischen den Eingängen hin und her und sammelten sich dann in Gruppen auf der anderen Straßenseite. Fähnchen flatterten im Wind. Der Wind hatte zugenommen und trieb Wolken aus Staub und Sand vor sich her, Sand, der sich auf dem schmalen Gehsteig anhäufte. Durch das geschlossene Fenster, das sie nicht zu öffnen wagte, waren große gelbbraune Felder zu sehen und viele Blocks mit mehreren Eingängen. Nur vereinzelt gab es krumme Bäume, um ihre Stämme waren Bewässerungsgruben aus dem Straßenbelag gehauen. Eine Frau schob einen Kinderwagen vor sich her, ein alter Mann in abgewetzten, schlabbrigen Hosen ging schwerfällig die Straße entlang und stieß fast mit den beiden jungen Mädchen zusammen, die ihm entgegenkamen, eine von ihnen in sehr engen, sehr kurzen Hosen, und aus einem vorbeifahrenden Auto winkte der Fahrer den beiden Mädchen zu.
    »Jo’ela«, rief Hila von der Küchentür her. »Komm einen Moment, sie wird uns erklären, wie wir hinkommen.«
    Jo’ela legte ihre ganze Kraft in den warnenden Blick, den sie Hila zuwarf, damit sie ja nichts von dem Mädchen erzählte, als sie sah, wie die rundliche Hand in den Tiefen der Leinentasche versank, um, wie sie wußte, den Umschlag daraus hervorzuholen. Hila zog die Hand zurück.
    »Was suchen Sie dort?« fragte die Frau. »Kennen Sie dort jemanden?«
    Hila brachte Jo’ela mit einer Handbewegung dazu, den Mund zu halten, und sagte: »Familie Nechoschta’i, den Rabbiner Nechoschta’i.«
    »Ich kenne ihn, natürlich kenne ich ihn«, sagte die Frau und begann, die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen ihrer Familie und der des Rabbiners zu erklären.
    »Gut, wo genau wohnt er?«
    Die Frau beschrieb einen Kreis in der Luft. »Sie verlassen die Stadt über die Hauptstraße, dann biegen Sie an der ersten Kreuzung nach links ab, fahren vielleicht vierhundert oder fünfhundert Meter, es gibt ein kleines, grünes Schild, das müssen Sie finden, ich gebe Ihnen … Ich zeichne es Ihnen auf!« Sie riß ein Blatt von einem alten Kalender, der neben dem Tisch an der Wand hing, und skizzierte die Hauptstraße, die Abzweigung nach links, vier Häuser, auf das vierte malte sie einen großen Stern. »Wenn Sie in den Ort reinfahren und mit dem Rücken zur Straße stehen, dann ist es das vierte Haus. Und wenn Sie sich verfahren, erkundigen Sie sich einfach nach der Familie des Rabbiners Nechoschta’i.«

15. Ein Sommernachtstraum
     
    Die Schauspielgruppe spielt den »Sommernachtstraum«. Erst soll das Mädchen eine der Elfen spielen, die Titania begleiten. Und viele Stunden lang stellt sie sich vor, wie sie selbst die Titania spielt, in einem weißrosafarbenen Kleid und mit einer Krone auf den offenen Haaren, aber sie hat keine Chance, sie ist erst zehn, sie muß froh sein, daß sie bei dieser einzigen Aufführung, die die Schauspielgruppe vor der ganzen Schule spielen wird, überhaupt mitmachen darf. Von Chanukka bis

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