So habe ich es mir nicht vorgestellt
Schultern legte. Sie machte sich frei. »Fünf Uhr morgens!« sagte sie vorwurfsvoll, und er lachte.
»Ich habe schon lange gesagt«, bemerkte er mit seinem schweren Akzent, »daß ein Körper wie deiner nicht gut ist für die Chirurgie, aber für etwas anderes sehr wohl.«
»Wie machst du das eigentlich?« fragte sie, noch vor dem Zimmer, um ihn abzulenken.
»Was?« fragte er gespielt naiv. »Was mache ich wie?«
»Du siehst immer aus, als hättest du gerade geduscht, während wir …«
»Das habe ich geerbt, das liegt in meiner Familie.« Er sagte es ohne Lächeln. »Wir brauchen sehr wenig Schlaf. Es ist doch schade um das Leben, oder?«
Sie betraten den Raum. Sein Blick, berechnet kühl, glitt über den Monitor, über Herrn Mu’alem und wanderte erst dann zu Frau Mu’alem, die ihn mit ihren grauen Augen anstarrte, mißtrauisch, aber auch voller Hoffnung. »Es tut so weh«, sagte sie, »es tut so weh.«
»Wir müssen es zwischen zwei Wehen machen«, überlegte Doktor Goldmann laut und bedeutete Herrn Mu’alem mit einer Handbewegung hinauszugehen. Herr Mu’alem schaute von Jo’ela zu seiner Frau, und die Erwartung in seinem Gesicht verwandelte sich in Furcht, als sie keinen Einspruch erhoben. Mit kleinen, langsamen Schritten ging er zur Tür, blieb dort stehen, drehte sich um, blickte auf den Anästhesisten, erschrak beim Anblick der langen Spritze, zog die Schultern hoch und ging schließlich hinaus.
Jo’ela lehnte an der Fensterbank und schaute zu, wie Goldmann aufmerksam die Gummihandschuhe anzog, bevor er Frau Mu’alem auf die Seite drehte, das Laken wegnahm und ihr das Kliniknachthemd bis über die Schultern hochschob. Aus seiner Kitteltasche zog er einen Stift und malte mit roter Farbe einen Kreis um den Punkt, an dem er stechen wollte. Frau Mu’alem ächzte. »Haben Sie eine Wehe?« fragte Goldmann, und sie nickte. »Sagen Sie mir, wann sie aufhört«, gebot er und prüfte die Spritze.
Frau Mu’alem weinte. »Wo ist mein Mann?« fragte sie plötzlich. »Rufen Sie meinen Mann!«
Einen Moment lang klang Goldmanns Stimme weich. »Ist sie vorbei?« fragte er. Und sehr geduldig fuhr er fort: »Wir warten, bis sie vorbei ist, Sie dürfen sich dabei nämlich nicht bewegen.«
»Wo ist mein Mann?« wiederholte Frau Mu’alem, das Laken mit den Fäusten zusammenpressend.
»Sie brauchen Ihren Mann jetzt nicht, Sie brauchen jetzt gar niemanden, nur mich, ich bin Ersatz für alle«, lächelte Goldmann und blickte sie an. »Sie möchte wissen, wo ihr Mann ist«, sagte er zu einem nicht existierenden Publikum, »für was braucht sie ihn jetzt?«
Frau Mu’alem weinte leise, Jo’ela schwieg.
»Sie brauchen jetzt nicht Ihren Mann, sondern mich«, meinte Goldmann, und auch als er mit der Spritze zustach, nachdem er sie noch einmal ganz ernsthaft gewarnt hatte, sich ja nicht zu bewegen, murmelte er amüsiert: »Ihren Mann. Sie will ihren Mann!« Dann zog er die Spritze heraus, schloß den dünnen Gummischlauch an die Kanüle, legte einen dicken Verband darauf, zog das Nachthemd der Frau herunter, deckte ihren Rücken und ihr Hinterteil zu und drehte sie sanft und vorsichtig auf den Rücken. Aber selbst da versprach er ihr noch: »Sie werden sehen, Sie brauchen gar niemanden, nur mich.« Und Jo’ela erinnerte er daran, daß das Medikament nur eine halbe Stunde wirke, falls das nicht reiche, müsse sie ihn noch einmal rufen. Dann zwickte er sie noch in die Schulter und verließ federnd auf seinen glänzenden Sportschuhen den Raum. An der Tür drehte er sich um, lächelte noch einmal selbstzufrieden und meinte nicht unfreundlich: »Nun, da ich weggehe, schicke ich Ihnen auch Ihren Mann.«
Frau Mu’alem blickte ihn erschrocken an, doch plötzlich begann auch sie zu lächeln. »Es tut mir nicht weh«, stellte sie erstaunt fest. »Es tut mir nicht mehr weh.«
»Schon?« fragte Goldmann, kam zurück und blickte auf den Wehenschreiber. »Sie haben gerade eine starke Wehe, und es tut Ihnen nicht weh? Wunderbar.« Er lächelte. »Wollen Sie jetzt Ihren Mann?«
Frau Mu’alem strich sich durch die Haare, fuhr sich mit einer leichten Bewegung über die Stirn und nickte mit einem schüchternen Lächeln.
Herr Mu’alem kam mit schnellen Schritten herein, und Jo’ela hatte das Gefühl, als entspanne sich sein Gesicht, als er sich neben seine Frau setzte, auf den Stuhl zwischen dem Monitor und dem Bett. Er verkündete eine Wehe Stärke hundert. »Tut es dir nicht weh?« fragte er. Seine Frau lächelte. »Eine
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