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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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sehr kurzen schwarzen Rock zwischen weißen Plastiktischen herum und wischte Tannennadeln ab, die an den Stühlen klebten. Als sie sich über einen Tisch beugte, hob sich ihr kurzer Rock und entblößte das Ende ihrer runden Oberschenkel. Über ihrem Bauch baumelte eine schwarze Stofftasche, und sie sagte: »Wir haben gerade erst aufgemacht.«
    Weil sie zu früh gekommen war, erschrak Jo’ela nicht, als sie feststellte, daß kein Mensch im Café saß. »Wir haben gerade aufgemacht«, entschuldigte sich die Besitzerin und beeilte sich, zwei schwere Stühle zu einem Tisch in der Ecke zu rücken, auf den Jo’ela deutete. Obwohl sie versuchte, den Pfützen am Eingang und um den Putzeimer auszuweichen, hinterließen ihre Absätze feuchte Flecken auf ihrem Weg zum Tisch. Nervös fragte die Besitzerin, was sie ihr bringen dürfe. »Nur einen Kaffee, bitte«, sagte Jo’ela. Doch die Frau beeilte sich, ihr auch eine handgeschriebene Speisekarte hinzulegen und auf die verschiedenen Frühstücksmenüs zu deuten. »Ich warte noch auf jemanden«, sagte Jo’ela zögernd, als sei dieser Satz an sich schon verräterisch. Das verständnisvolle Lächeln der Besitzerin und ihr Kopfnicken deutete Jo’ela als Zeichen einer Beziehung, die gegen ihren Willen entstanden war. Warum hatte sie »auf jemanden« gesagt und sich nicht mit den beiden ersten Worten begnügt?
    Der Tisch war wacklig, deshalb wunderte sie sich auch nicht, als ein paar Tropfen Kaffee aus der Tasse spritzten und auf ihrem schwarzen Hosenanzug Flecken hinterließen. Sie legte eine Papierserviette auf den Unterteller.
    In der Fensternische neben dem Tisch stand eine rosafarbene Geranie in einem weißen Plastiktopf, darüber sah man die hohen Bäume im Park. Auf dem Kies waren schwere Schritte zu hören. Es dauerte lange, bis sie einen alten, sehr gebückten Mann sah, der sich der Treppe zwischen dem Park und dem Café näherte. Nach einigen Minuten stellte sie die leere Tasse zurück auf den Unterteller. Niemand hatte das Café betreten. Von Zeit zu Zeit kam die junge Kellnerin mit energischen Schritten herein, die schwarze Tasche vor dem Bauch, und erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei oder ob sie etwas wünsche. In ihren Augen lag eine Mischung aus Neugier und Spott. Aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor, dachte Jo’ela.
    Jedesmal, wenn sie mit dem Fuß an ein Bein des runden Tisches stieß, wackelte dieser. Gerade als sie sich bückte, um ein doppelt zusammengefaltetes Papier unter ein Tischbein zu schieben, hörte sie die schnellen Schritte und fühlte, wie ihr Gesicht rot wurde, während sie, verlegen lächelnd, unter der rotweiß karierten Tischdecke auftauchte und ihn vor sich stehen sah. Er betrachtete sie mit unverblümter Genauigkeit.
    »Ich freue mich sehr, Sie zu sehen«, sagte Jo’el, ohne sich wegen seiner Verspätung auch nur mit einem Wort zu entschuldigen, als er sich ihr gegenübersetzte, das Kinn auf die Hände stützte und den Blick nicht von ihr nahm. »Gestern war ich so durcheinander, daß ich noch nicht mal an die technische Seite gedacht habe.«
    »Wirklich?« fragte sie erstaunt und spöttisch. »Sie haben keinen verwirrten Eindruck gemacht. Was hat Sie denn verwirrt? Der Scheinwerfer?«
    »Nein, nicht der Scheinwerfer. Sie. Die Gegensätze.«
    »Welche Gegensätze?«
    »Gleich werden wir darüber sprechen. Erst möchte ich einen Kaffee.« Wieder tauchte die Besitzerin auf und blieb neben ihnen stehen, den Kopf demonstrativ gebogen, bereit, die Bestellung aufzunehmen, egal, wie detailliert sie ausfallen würde. Er folgte ihr, um sich aus dem Glaskasten ein Stück Kuchen auszuwählen, und Jo’ela bestellte noch einen Kaffee und ein Glas Wasser. Dann betrachtete sie ihn von hinten, seine langen Beine in den etwas zu kurzen braunen Hosen, das blaue Hemd, das weder in der Farbe noch im Schnitt dazu paßte. Trotzdem ging ein erfreulicher, unbeholfener Charme von ihm aus, mit seinen leichten Bewegungen, den straffen Schultern, dem völligen Mangel an Höflichkeitsformen. Sie spielte mit dem Löffelchen in einer rosafarbenen Zuckerdose – ein paar Körner fielen heraus –, malte Linien hinein und verwischte sie wieder mit der Rückseite des Löffels.
    »Eine Frau voller Gegensätze«, verkündete er, als er sich wieder hinsetzte, und fuhr im selben Atemzug fort: »Der Kuchen sieht wunderbar aus, vielleicht wollen Sie doch einen? Käsekuchen.« Er hatte volle, graue, gerade geschnittene Haare, als habe er sich in der Küche

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