So habe ich es mir nicht vorgestellt
der Versuchung nachzugeben und etwas von dem jungen Mädchen und Me’a Sche’arim zu erzählen.
»Sie haben kein Auto«, sagte Jo’el. »Wo ist Ihr Auto?«
»In der Werkstatt«, sagte sie. »Abgeschleppt worden.«
»Ich fahre Sie«, sagte er entschieden und stand auf, um zu bezahlen. »Wohin müssen Sie?«
»Erst nach Hause«, antwortete sie, ohne nachzudenken. Und danach fiel ihr ein, daß sie am Telefon gesagt hatte, sie habe etwas in der Stadt zu erledigen.
Er wunderte sich aber nicht. »Das ist nichts Neues«, sagte er lächelnd. »Und dies hier war unsere erste Verabredung, nur für den Anfang. Wir werden uns noch öfter treffen«, versprach er, während er in seinem Geldbeutel wühlte. »Ich wünsche es mir sehr.«
»Wie werden wir uns treffen?« protestierte sie. »Und wozu?«
»Damit wir Freunde werden«, sagte er mit Entschiedenheit. Und als die Kellnerin sich dem Tisch näherte, fügte er schnell hinzu: »Kommen Sie, gehen wir.«
Im Auto, als er ihr den Sicherheitsgurt hinhielt und seine Arme die ihren berührten, wagte sie zu fragen: »Wie sollen wir Freunde werden? Sie sind verheiratet, nicht wahr?«
»Ja, natürlich.«
»Haben Sie Kinder?«
»Eine Tochter bei der Armee und einen Sohn in der elften Klasse.«
»Ist Ihre Ehe gut?« fragte Jo’ela. Ihr Herz klopfte heftig, sie blickte starr geradeaus.
»Gut, ja, ich glaube sogar, sehr gut«, antwortete er.
»Nun?«
»Was heißt das, nun?«
»Also was tun Sie? Und warum?«
»Das ist kein Widerspruch«, antwortete Jo’el. »Und sogar wenn es so wäre, bin ich jetzt nicht bereit, daran zu denken.«
»Was für einen Grund haben Sie, wenn …«
»Darüber werden wir uns noch unterhalten«, sagte er abschließend.
»Sind Sie oft so?« erkundigte sich Jo’ela. Die Frage klang scharf. Er wich nicht aus.
»Nein, normalerweise nicht«, sagte er. »Ich sage nicht, daß es nie passiert ist, gelegentliche Affären, aber so nicht, auf diese Art nie, ich sammle Frauen nicht, wenn Sie das meinen. Vermutlich drängt es mich irgendwie.«
»Na und?« wandte Jo’ela ein. »Man fängt einfach so eine Geschichte an, ohne nachzudenken? Übrigens, ich auch.«
»Gut?«
»Was?«
»Ist Ihre Ehe gut?«
»Ja, ich glaube schon«, sagte Jo’ela. »Und deswegen ist es auch verboten, zu …«
»Verboten, verboten«, sagte Jo’el. »Darauf kann man nicht immer Rücksicht nehmen, auch das ist verboten, sonst versäumt man etwas, und man hat nur ein Leben.«
»Sie sehen keine zwei Schritte weit voraus.« Jo’ela rang die Hände. »Man darf solche Dinge nicht tun, ohne daß man darüber nachgedacht hat, zu was sie führen.«
»Was glauben Sie denn, zu was sie führen? Wird Feuer vom Himmel fallen? Ein Blitz uns erschlagen? Werden wir gesteinigt?«
»Nein, nein, überhaupt nicht so etwas.« Sie schüttelte den Kopf auf eine Art, wie sie es als Kind getan hatte, wenn man sie nicht verstand. »Ich spreche nicht von der öffentlichen Moral, auch nicht von den Zehn Geboten. Nur von dem, was ich sehe, den Bildern.«
»Und was sehen Sie? Was für Bilder?« wollte er wissen und schlug mit einer heftigen Bewegung das Lenkrad um, als das Auto in die Bar-Ilan-Straße einbog.
»Schmerz, viel Schmerz und Trauer, Lügen, sogar wenn …«
»Sogar wenn was?«
»Sogar wenn es zu einer gewissen Nähe zwischen zwei Menschen kommen sollte, in unserem Alter.«
»Zweifeln Sie daran?«
»Ich glaube, ja«, sagte sie verlegen.
»Warum? Gefalle ich Ihnen nicht? Glauben Sie nicht an mich?« fragte er herausfordernd.
»Sie gefallen mir, aber was hat das damit zu tun«, widersprach sie. »Was hat das mit Glauben zu tun? Ja, Sie gefallen mir. Aber was für ein Leichtsinn!«
»Wegen des Kummers, der vielleicht entstehen könnte?«
»Wenn es keinen Kummer gibt, heißt das, daß die Geschichte bedeutungslos ist. Und einfach so … Und deswegen sollte man lügen?«
»Muß man überhaupt lügen? Kommt Ihre Mutter schon wieder zu Besuch?«
»Meine Mutter hat nichts damit zu tun«, sagte Jo’ela. »Sie glaubt ohnehin nichts.«
»Wem?«
»Nichts. Sie glaubt sowieso nichts. Sie meint immer, ich wäre anders als … nicht wie es scheint …«
»Aber Sie sind wirklich anders, als es scheint. Man muß der Wahrheit ins Auge schauen, das haben Sie doch selbst gesagt.«
»Hören Sie auf damit«, bat Jo’ela. »Hören Sie auf, ich möchte nicht darüber sprechen.«
Die Frau, die eilig an der Ampel die Straße überquerte, kam ihr bekannt vor. Vergeblich versuchte sie, sich zu
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