So heiß wie der Wuestenwind
möglich vor die Tür gesetzt. Aber in aller Herrgottsfrühe waren sie zurück gewesen und hatten sie dann zum Flugplatz gebracht, wo ein überaus luxuriöser Jet auf sie wartete. Die berühmte „Air Force One“ des amerikanischen Präsidenten konnte nicht prachtvoller sein.
Kamal behandelte sie wirklich schon so sehr wie eine Königin, dass sie es schon als aufdringlich empfand. Er hatte ihr obendrein noch eine Nachricht zukommen lassen, sie solle sich bitte ab sofort auch gegenüber allen Untergebenen „majestätisch verhalten“. Was auch immer das genau bedeuten sollte.
Schließlich war sie in seinem Heimatland angekommen und sofort in den Königspalast gebracht worden, wo sie die sogenannte Gästewohnung zugewiesen bekam, eine Bezeichnung, die sie als Untertreibung des Jahrhunderts empfand. Es war ein elegant eingerichteter Seitenflügel des Palastes, in dem gut und gerne vierzig Prinzessinnen komfortabel hätten wohnen können. Und dann begann sie, die Liste abzuarbeiten, die er für sie aufgestellt hatte.
Als Erstes war ein Treffen mit drei ihrer vier Elternteile vorgesehen. Sie sollte ihnen mitteilen, dass sie mit der Hochzeit einverstanden sei und ihre Rolle den Vorschriften gemäß spielen würde. Selbstverständlich sollte sie ihnen mit „äußerster formvollendeter Höflichkeit und Schicklichkeit“ begegnen. So weit kommt’s noch, hatte sie sich gedacht.
Natürlich hatte sie sie immer mit Liebe und Respekt behandelt, selbst nachdem sie ihr Leben ins Chaos gestürzt hatten, aber Förmlichkeiten empfand sie hier als fehl am Platze. Kamal sollte gefälligst froh sein, dass sie sich seinem Zeitplan unterordnete, was alles Übrige betraf.
Das Treffen mit den dreien verlief gut. Sie waren sehr erleichtert, dass Aliyah sich mit allem einverstanden erklärte. Dann stand die Begegnung mit ihrem vierten Elternteil an: mit Anna Beaumont, ihrer leiblichen Mutter.
Kamal hatte Anna vom Hofe König Atefs einfliegen lassen, wo sie offenbar für etwas Unruhe gesorgt hatte. Die Königin – die Frau, die Aliyahs Stiefmutter war, wie sie jetzt wusste – war für ihre Streitsucht bekannt. Aliyah konnte sich lebhaft vorstellen, dass die Damen sich mächtig in die Haare geraten waren.
Und nun saßen Aliyah und ihre Mutter sich also seit einer Stunde gegenüber. Anna hatte siebenundzwanzig Jahre darauf gewartet, Aliyah zwei Wochen, die ihr aber vorkamen wie ein ganzes Leben. Nicht nur die äußerliche Ähnlichkeit war Aliyah sofort aufgefallen, sie spürte auch eine starke innere Verbindung.
Sie war sicher, dass Anna diese Verbindung auch spürte, aber unausgesprochen waren die beiden Frauen sich einig, zunächst einmal unverbindlich miteinander zu plaudern. Aliyah fühlte, dass Anna von der gesamten Situation überfordert und nervlich extrem angespannt war. Sie selbst hingegen fühlte sich wie betäubt, wahrscheinlich weil einfach zu viel auf einmal auf sie eingestürzt war.
Also hatten sie über Judar und Zohayd gesprochen, über die verschiedenen Sitten und Gebräuche dieser Länder und auch über Los Angeles, wo sie beide ja einmal gelebt hatten – und das sie nun, wahrscheinlich für immer, hinter sich gelassen hatten.
Und dann hatte Anna diesen Satz gesagt: „Ich würde alles tun, um es rückgängig machen zu können.“
Offenbar war sie jetzt bereit, die ernsteren Themen in Angriff zu nehmen.
Doch es fiel ihr sichtlich schwer. Sie blickte verlegen in ihre Teetasse und murmelte: „Das klingt jetzt vielleicht übertrieben, aber … ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll …“
Aliyah stellte ihre Tasse ab. „Sag mir doch einfach, was du denkst … was du fühlst. Lass es einfach raus, ohne Scheu.“
Anna nickte stumm. Dann fragte sie: „Hasst du mich eigentlich sehr?“
Aliyah lehnte sich im Sofa zurück und überdachte ihre Antwort. „Also … die Gesamtsituation passt mir überhaupt nicht, das gebe ich offen zu. Aber das geht nicht gegen dich. Ich hasse dich auf keinen Fall, und ich maße mir auch nicht an, dich zu verurteilen. Ich kann nur versuchen, mir vorzustellen, was dich zu deinen Entscheidungen getrieben hat, und mir ist klar, dass das alles nicht leicht für dich war. Alles zusammengenommen kann ich nur sagen … ich danke dir.“
Überrascht und verständnislos sah Anna Aliyah an. „Du … du dankst mir? Aber wofür denn, um Himmels willen?“
Aliyah zuckte mit den Schultern. „Dafür, dass du mich nicht abgetrieben hast. Denn das wäre doch der leichteste Weg gewesen. Ich
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