So heiß wie der Wuestenwind
egal sein“, fuhr er fort. „Ihnen kommt es ja nur darauf an, dass ihr Blut in den Adern des Thronfolgers fließt. Sobald der Junge auf der Welt ist, bekommt jeder, was er wollte. König Atef hat Frieden in seinem Land, und ich habe Judars Thron und Zukunft gesichert. Und was willst du? Stelle deine Forderungen, Aliyah.“
„Meine Forderungen stellen?“, schrie sie empört. „Forderungen dafür, dass man mich wie eine Zuchtstute benutzt und anschließend wie einen lahmen Ackergaul verstößt? Wie wäre es denn mit den Kronjuwelen von Judar? Die sollen ja Milliarden wert sein.“
In seinem Blick blitzten Wut und Aggression auf. Und dann waren sie urplötzlich wieder verschwunden.
„So sei es“, sagte er nur knapp.
In diesem Moment wurde Aliyah klar, was sie in ihrem Innersten so quälte.
Sie liebte ihn noch immer.
Wie war das nur möglich? Nach all dem, was er ihr angetan hatte, nach all den Jahren, die in der Zwischenzeit verstrichen waren? Liebte sie ihn trotz der mitleidlosen Härte, mit der er sie behandelt hatte? Oder vielleicht gerade deswegen?
Nein. Sie hatte sich unsterblich in ihn verliebt, als er gut zu ihr gewesen war. Selbst seine Grausamkeit hatte diese Erinnerungen nicht auslöschen können. Die Seelenverwandtschaft, die sie von Anfang an mit ihm verbunden hatte, überdeckte alles andere. Und im Stillen hoffte sie immer noch, eine Erklärung für seine abrupte Wandlung zu finden, die ihn nachträglich von aller Schuld freisprach.
Auf jeden Fall glaubte sie ihm, was die Gefährdung ihrer Heimatländer anging. Und wenn so viel auf dem Spiel stand – was zählten dann schon ihre Gefühle, ihre Zukunft?
Er hatte ja recht. In Anbetracht der heiklen Situation zählten ihre Gefühle nicht, und sie selbst zählte auch nicht.
Sie durfte sich nur trotz allem nicht völlig selbst verleugnen, sich nicht vernichten lassen von seiner Abscheu.
Tränen traten ihr in die Augen. „Aber … was ist, wenn ich nicht schwanger werde? Oder wenn du keine Kinder zeugen kannst? Was wird dann passieren?“
Er verzog das Gesicht. „Mach dir nur keine Sorgen, die Juwelen darfst du dann trotzdem behalten. Und was meine Zeugungsfähigkeit angeht, die ist nachgewiesen. Falls du unfruchtbar sein solltest, wäre das Grund genug für eine schnelle Scheidung, trotz der ansonsten sehr strengen Ehegesetze meines Landes. Ich würde dann Verhandlungen führen, um die Tochter des zweithöchsten Patriarchen der Al Shalaans zu heiraten.“
„Ach, einfach so?“, fragte sie. „Das kaputte Teil auf den Müll werfen und einfach ein neues kaufen …“
Ich muss hier raus, dachte sie. So schnell wie möglich.
Diesmal hielt er sie nicht auf, als sie zum Ausgang stolperte, sondern folgte ihr nur wortlos. Sie hatte den Türgriff schon in der Hand, als er noch einmal das Wort ergriff.
„Morgen wirst du nach Judar gebracht. Wie es bei uns Sitte ist, werde ich dich bis zur Hochzeitszeremonie nicht wiedersehen. Aber ich lasse dir noch eine Liste zukommen – was erledigt werden muss und welche Regeln du zu befolgen hast.“ Seine Stimme war eine ganze Oktave tiefer, als er hinzufügte: „Und enttäusche mich nicht.“
4. KAPITEL
„Ich würde alles tun, um es rückgängig machen zu können.“
Aliyah saß im Wohnzimmer der Gästewohnung, die man ihr im Königspalast zur Verfügung gestellt hatte, und hörte Anna Beaumont zu. Sie ist wirklich eine schöne Frau, dachte sie.
Als sie sie kennenlernte, hatte sie natürlich sofort festgestellt, wie ähnlich sie sich waren. Mit einer blonden Perücke und blauen Kontaktlinsen hätte Aliyah glatt als Doppelgängerin von Anna durchgehen können. Der DNA-Test hatte eindeutig bewiesen, dass sie ihre leibliche Mutter war.
Sie fragte sich, warum König Atef diese Ähnlichkeit nie aufgefallen war.
Andererseits war es vielleicht kein Wunder – da waren die unterschiedlichen Haarfarben, und außerdem hatte er seine ehemalige Geliebte Anna ja schon aus seinem Leben verbannt, bevor Aliyah, seine vermeintliche Nichte, überhaupt zur Welt gekommen war.
Als Anna schwieg, goss Aliyah sich und ihrer Mutter noch etwas ungesüßten Jasmintee nach. Sie reichte ihr die Tasse und ließ die vergangenen beiden Tage Revue passieren.
Alles, was Kamal angekündigt hatte, war geschehen. Seine Leute hatten Aliyah zurück zu ihrer Wohnung gefahren und ihr beim Einpacken der nötigsten Dinge geholfen. Als sie ihr mit ihrer beflissenen Hilfsbereitschaft auf die Nerven gingen, hatte sie sie so freundlich wie
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