So heiß wie der Wuestenwind
klang so überzeugend. Aber das hatte sie ja immer getan, auch wenn sie log.
„Na schön, das erklärt deine schockierende Unwissenheit.“ Jetzt war es an ihm, sie über die Hintergründe aufzuklären. Er erzählte das alles ungern noch einmal, aber als seine zukünftige Königin musste sie es natürlich wissen. Nachdem er tief Luft geholt hatte, begann er zu berichten. „Unser kürzlich verstorbener König hatte keine Söhne. Die Thronfolge musste also einem seiner drei Neffen zufallen, von denen ich einer bin. Doch weil die direkte Nachfolgekette zum ersten Mal seit Anbeginn des Königreichs unterbrochen ist, forderten die Al Shalaans in Judar schon vor seinem Tod, sie seien an der Reihe, den neuen König zu stellen. Sie drohten mit einem Aufstand. Einem Aufstand, der in Judar einen Bürgerkrieg auslösen würde.“
„Wenn dir der Frieden so wichtig ist“, sagte sie geringschätzig, „warum gibst du ihnen nicht einfach den Thron?“
„Oh du heilige Einfalt“, entfuhr es ihm. „Siebzig Prozent der Einwohner sind Al Masuds. Wenn das Königshaus der Al Masuds jetzt einfach auf den Thron verzichten würde, gäbe es ebenfalls einen Aufstand – nur eben einen der Al Masuds, und das Ergebnis wäre das gleiche. Also glaub nicht, dass du eine Lösung so eben aus dem Ärmel schütteln kannst. Wenn es eine einfache Lösung gäbe, glaub mir, ich hätte diesen Weg beschritten, egal, was es mich gekostet hätte. Aber es gibt eben keine einfache Lösung. Wir haben nur eine Möglichkeit, den Frieden zu bewahren: Das reinste Al-Shalaan-Blut wird durch Heirat in die Abstammungslinie des Al-Masud-Königshauses eingeführt. Durch die Adern der Nachkommen fließt dann das Blut beider Stammesdynastien.“
Sie schaute sich suchend um, als könnte sie irgendwo da draußen eine andere Lösung finden. „Aber warum kann es denn nicht das reine Blut eines hochrangigen Al Shalaan sein, der in Judar lebt? Warum muss das Blut unbedingt von König Atefs Nachkommenschaft kommen? Er ist doch aus Zohayd und nicht aus Judar.“
„Da musst du die Ahnenforscher der Al Shalaans fragen. Sie haben bestimmt, dass König Atef das reinste Al-Shalaan-Blut beider Königreiche besitzt, und sie haben seine Herkunft über viele Generationen zurückverfolgt. Da wir aber zu der Zeit, als das festgelegt wurde, noch alle davon ausgingen, dass er keine Tochter hat, wurde klar, dass das ein doppelter Trick war. Sie warfen uns den mächtigsten aller Al Shalaans vor die Füße, eine gewaltige Provokation. Gleichzeitig wollten sie ihn dazu nötigen, den Al Shalaans in Judar bei ihrem Kampf um den Thron beizustehen. Das jedoch lehnte er von Anfang an ab, obwohl das einen Aufstand in Zohayd nach sich ziehen konnte.“ Er machte eine kurze Pause.
„Dann aber fand König Atef heraus, dass er doch eine Tochter hatte, und was von da an geschah, weißt du. Jetzt haben die Al Shalaans alle in die Enge getrieben, sich selbst eingeschlossen. Sie können ihre Forderung nach dem reinsten Blut ja nicht zurücknehmen, und König Atefs Tochter – du – erfüllt ihre Voraussetzungen. Aber sie haben auch sehr deutlich gemacht, dass sie zu kriegerischen Mitteln greifen werden, um den Thron zu erlangen, falls wir nicht heiraten. Das würde nicht nur die beiden Königreiche, sondern die gesamte umliegende Region ins Chaos stürzen. Es gibt also keine andere Lösung als unsere Heirat. Ich brauche dich ja wohl nicht daran zu erinnern, dass in der fernen Vergangenheit unsere Länder schon aus geringeren Anlässen Kriege geführt haben.“
Einen Moment lang schwiegen beide.
Schließlich fragte sie: „Ist es so schlimm?“
„Schlimmer“, antwortete er. „Wir haben nämlich schon einen festen Termin.“
„Einen Termin?“
Kamal nickte. „In fünf Tagen. Der Tag meiner Joloos ist gleichzeitig unser Hochzeitstag.“
Aliyah fühlte sich, als würde sie den Boden unter den Füßen verlieren. „Kamal, es muss eine andere Lösung geben. Wir können nicht heiraten. Wir hassen uns doch!“
Er ballte die Hände zu Fäusten. „Du würdest dich wundern, wenn du wüsstest, wie viele Könige Frauen geheiratet haben, die sie verabscheuten – nur zum Wohle des Königreiches. Aber hiermit verkünde ich dir einen Beschluss, der es dir vielleicht etwas leichter macht: Nachdem du einen männlichen Erben zur Welt gebracht hast, werde ich dich nicht mehr anrühren. Wir werden uns nach seiner Geburt sogar scheiden lassen.“
Sprachlos sah sie ihn an.
„Den Al Shalaans wird das
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