So heiß wie der Wuestenwind
…“
Er gab seinen Widerstand auf. Die sanften Schwingungen der Schaukel verstärkten die Gefühle noch, ließen das Feuer ihrer Leidenschaft hohe Flammen schlagen, und es dauerte nicht lange, bis Aliyah einen unglaublichen Höhepunkt erlebte. Schwer atmend und am ganzen Körper erschauernd, klammerte sie sich an ihn. Und als auch er den Gipfel erklomm, glaubte sie, dass sie dasselbe empfanden.
Sie hatte einen neuen Entschluss gefasst. Sie würde die Schwangerschaft vor Kamal geheim halten, solange es nur ging. Er hatte ja auch nicht ausgesprochen, was er sagen wollte. Und wenn sie lange genug schwieg, würde er es ihr vielleicht niemals mitteilen …
Aliyah sah auf ihre Hose.
Sie hatte sichtlich abgenommen; Kamal hatte an diesem Morgen sogar schon eine Bemerkung in dieser Richtung fallen gelassen. Drei Wochen war es her, dass sie den Schwangerschaftstest durchgeführt hatte, und mit ziemlicher Sicherheit war sie jetzt in der neunten Woche. Aliyah war sich sicher, dass sie in der ersten Nacht schwanger geworden war.
Aber es lag nicht an der morgendlichen Übelkeit, dass sie so an Gewicht verloren hatte. Ihre Seele litt. Und auch Kamal schien seit jenem Tag, als er von seinem Flug nach Amerika zurückgekommen war, merkwürdig bedrückt zu sein. Was er dort gemacht hatte, hatte er Aliyah nicht verraten.
Wenn sie miteinander schliefen, war er zwar leidenschaftlich wie eh und je, vielleicht sogar noch zärtlicher als früher. Auch im täglichen Umgang benahm er sich freundlich und aufmerksam. Aber dennoch nagte ganz offensichtlich etwas an ihm. Es schien ihr fast, als ob er langsam in eine Depression verfiel.
Im Schlaf stöhnte er manchmal. Wenn er sich unbeobachtet glaubte und sie ansah, lag in seinem Blick nicht mehr reine Begierde, sondern eine unendliche Schwermut. Er war auch nicht mehr so spontan wie früher, sondern schien jedes Wort gründlich abzuwägen. Sie war im Umgang mit ihm auch nicht mehr so unbefangen.
Und jetzt litt sie unter dem Gewichtsverlust. Sie hatte einfach keinen Appetit mehr, auf gar nichts, vom Zusammensein mit Kamal einmal abgesehen. Zum Essen musste sie sich zwingen; sie aß nur für ihr Baby. Für Kamals Baby. Das Baby, von dem sie ihm nun bald erzählen musste.
Aliyah zögerte es immer weiter hinaus. Und je länger sie es vor sich herschob, desto mehr graute ihr davor. Was für Folgen würde es haben?
Zunächst würden sie klären lassen müssen, ob das Baby in ihrem Bauch ein Junge war – der benötigte Erbe. Falls nicht, würde sie alles noch einmal durchleben müssen, vielleicht sogar mehrfach, bis sich männlicher Nachwuchs einstellte. Falls es gleich beim ersten Mal geklappt hatte, blieben ihr noch sieben Monate, bis der Junge auf die Welt kam. Dann würde Kamal das Kind an sich reißen und sich von ihr scheiden lassen. So oder so, es waren keine rosigen Aussichten.
Eines war in ihrer Situation besonders wichtig, das wusste sie: ihre Gesundheit. Darauf musste sie achten, schon im Interesse ihres Babys.
Sie schenkete sich ein Glas Wasser ein und ging zum Garderobentisch. Von ganz hinten aus der Schublade holte sie ein Röhrchen hervor, nahm eine Tablette heraus und wollte sie gerade einnehmen, als ihr Blick auf ihr Spiegelbild fiel. Sie erschrak so, dass sie fast das Glas fallen ließ.
Sie sah ja aus wie in ihren schlimmsten Zeiten. Eher noch schlimmer.
Tränen traten ihr in die Augen. Sie musste wieder auf die Beine kommen, immerhin war sie für das Leben verantwortlich, das in ihr heranwuchs.
Wieder erhob sie das Glas und schluckte diesmal die Tablette hinunter. Als Aliyah plötzlich eine donnernde Stimme hinter sich hörte, zuckte sie zusammen.
„ B’haggej’Jaheem … Was, zum Teufel, machst du da?“
Seit Kamal aus Las Vegas zurückgekehrt war, war das Leben für ihn die Hölle gewesen.
Aliyah hatte ihn so stürmisch willkommen geheißen, und seitdem hatte er sie kaum noch aus den Augen gelassen. Auf jede erdenklich Art und Weise hatte er versucht, ihr zu zeigen, was sie ihm bedeutete. Doch in seinem Innersten nagten heftige Schuldgefühle an ihm. Wenn er mit ihr schlief, tat er es voller Feuer und Leidenschaft, aber hinterher fühlte er sich mies, weil sie ihm so viel gab – ihm, der ihr so großes Leid zugefügt hatte. Auf eine fast perverse Weise sehnte er sich nach Bestrafung. Selbst ein langsamer, qualvoller Tod wäre noch viel zu gut für ihn. Und er konnte sich nur eines vorstellen, das noch schlimmer war: Aliyah zu verlieren, seinen Lebensinhalt.
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