So heiß wie der Wuestenwind
Ja, genau das war die Strafe, die er verdiente: dass sie ihn verließ.
Er wünschte sich, sie würde ihn so bestrafen, wie es ihm zustand, aber sie tat es einfach nicht. Im Gegenteil, sie war wunderbar und zauberhaft wie immer, und das quälte ihn umso mehr.
Deshalb hatte er sie jetzt aufgesucht. Um die Qualen zu beenden.
Er musste bestraft werden, und sie musste es tun. Genau jetzt.
Als er das Zimmer betreten und sie gesehen hatte, ihr Gesicht von Schmerz und Leiden gezeichnet, war es ihm klar geworden: Selbst die schlimmste Strafe wäre immer noch nicht genug.
Und dann hatte er gesehen, wie sie die Tablette nahm. Alles aus der Vergangenheit fiel ihm wieder ein, und er konnte sich nicht mehr beherrschen.
Blitzschnell stürmte er auf sie zu, ergriff sie, als müsste er sie vor einem Sprung in den Abgrund zurückhalten, und schüttelte sie. „Was war das? Was hast du da genommen? Spuck es sofort wieder aus!“
„Kamal … was?“, murmelte sie und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, aber sie war zu schwach.
Wieder schüttelte er sie. „Ich sagte, spuck es aus. Ich lasse nicht zu, dass du dir so etwas noch mal antust.“
„Lass mich los … Wovon redest du überhaupt?“
„Wovon ich rede? Von diesen ‚Medikamenten‘. Du wirst sie nie wieder nehmen, hörst du? Zur Not kette ich mich an dich, um sicherzugehen, dass du die Finger davon lässt.“
„Himmel, beruhige dich. Das war eine harmlose Multivitamintablette.“
Lügen, alles Lügen, dachte er. Genau wie damals. Aber damals hatte er nicht eingegriffen, und dafür hasste er sich bis heute. Er hatte sie aufgegeben, sie verlassen, sie mit ihrer Verzweiflung allein gelassen.
Noch einmal würde er diesen Fehler nicht machen. „Du lügst“, schrie er. „Ich weiß es, Aliyah, ich weiß es ganz genau. Kannst du dich erinnern, wie ich dich damals fragte, ob dein aufsässiges Verhalten in deiner Teenagerzeit etwas mit Drogenkonsum zu tun hatte, und du es vehement abgestritten hast? Ich will dir sagen, warum ich damals gefragt habe. Ich hatte nämlich in deiner Wohnung – in der Wohnung, in die du mich nie eingeladen hast – jede Menge verdächtige Tabletten gefunden. Und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass du, meine Frau, meine Königin, die Königin von Judar, wieder in diese Sucht abrutschst.“
Aliyah sah aus, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. Er konnte diesen bemitleidenswerten Anblick kaum ertragen.
Voller Reue nahm er sie in die Arme und drückte sie ganz fest an sich. „ La, ya habibati , nicht weinen. Verzeih mir, bitte. Ich wollte dich nicht so anschreien, ich mache mir nur solche Sorgen um dich. Es kommt schon alles wieder in Ordnung, du darfst nur nicht nachgeben. Diesmal stehe ich dir bei, ich schwöre es. Gemeinsam schaffen wir es, dass du nicht wieder dieser verdammten Sucht verfällst.“
Sie schluchzte auf, und ihre Worte waren nur schwer zu verstehen. „Oh mein Gott, jetzt verstehe ich … Deshalb warst du damals plötzlich so angewidert von mir. Genau das hatte ich befürchtet, deshalb hatte ich dir nichts davon erzählt …“
„Nein, nein … ich wollte dir ja helfen. Aber du hast mir nicht die Wahrheit gesagt, und lange wusste ich einfach nicht, was ich tun sollte. Dann wollte ich dich dazu bringen, dass du mir alles sagst, dich zwingen, meine Hilfe anzunehmen, aber …“
Er konnte nicht weitersprechen. Denn dann würde er ihr erklären müssen, warum er ihr nicht nur nicht geholfen hatte, sondern auch, warum er sie verlassen hatte. Und das würde jetzt über seine Kräfte gehen. Er brauchte seine ganze Konzentration, um sie zu trösten und wieder aufzubauen.
Mit einem schnellen Griff hob er sie hoch und trug sie auf die nahe Couch. Dann kniete er vor ihr nieder.
„Du brauchst mich nicht so anzusehen“, sagte sie. „Wenn du Angst hast, dass ich wegen der Tablette gleich in den Drogenrausch falle, kann ich dich beruhigen. Es war wirklich nur eine Multivitamintablette.“
Sanft strich er ihr übers Haar. „Das alles spielt keine Rolle. Ich will dir nur helfen.“
Die Verbitterung in ihrem Blick schmerzte ihn, und er sah das als ersten Teil seiner Strafe an. „Du willst mir helfen?“, fragte sie spöttisch. „Wie du mir damals helfen wolltest? Das hast du wirklich toll gemacht. Genau wie meine Eltern vor dir. Ihr drei habt mir wirklich ‚sehr‘ geholfen. Also vielen Dank, ich brauche weder von dir noch von sonst jemandem Hilfe. Und was die Tabletten angeht, die du gefunden hast,
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