So heissbluetig kuesst nur einer
nicht ganz unverbindlich und höflich unterhalten, ohne zweideutige Anspielungen? Das musste doch zu schaffen sein.
„Du hältst nicht viel von den Tänzerinnen, oder?“, fragte Seth ernst. „Wieso nicht? Würdest du lieber selbst im Rampenlicht stehen? Möchtest du die einzige sexy Frau im Stadion sein?“
Der Vorsatz, sich höflich zu unterhalten, löste sich in Luft auf. Seth hatte ja keine Ahnung, wie falsch er mit seiner Vermutung lag.
„Deshalb macht dir der Job hier so viel Spaß. Deshalb hast du auch keine Mitbewohnerin.“ Forschend schaute er sie von der Seite an.
„Vielleicht halten sie ja nichts von mir.“ Lena wandte sich ab, um zu verbergen, wie sehr sie seine Worte getroffen hatten.
„Wieso nicht? Weil die Männer auf dich fliegen?“
Verneinend schüttelte sie den Kopf, obwohl sie insgeheim zugeben musste, dass Seths Vermutung nicht ganz abwegig war. Die Freundinnen in ihrer Heimatstadt hatten sich von ihr abgewandt, und hier hatte sie sich bisher nicht die Mühe gemacht, neue Freundinnen zu finden. Ihr Job ließ ihr auch keine Zeit dazu. Inzwischen wäre sie allerdings gern mal wieder ausgegangen. Witzigerweise hatte sie mit dem Gedanken gespielt, mit den Tänzerinnen auf die Piste zu gehen.
„Aber du bist gern mit den Spielern zusammen.“ Wieder dieser forschende Blick. „Du suchst die Nähe erfolgreicher Menschen.“
„Um mir einen reichen Mann zu angeln?“ Verächtlich verzog Lena das Gesicht. „Da liegst du aber völlig falsch.“
„Bist du sicher?“
„Ja.“ Aufgebracht wandte sie sich ihm zu. „In meinem ganzen bisherigen Leben war ich von erfolgreichen Menschen umgeben, Seth. Und ich meine wesentlich erfolgreicher als die Rugbyspieler. Du hast ja keine Ahnung! Ich bin nach meiner hochintelligenten Schwester und vor meinem hochintelligenten Bruder auf die Welt gekommen. Verglichen mit zwei Genies, die dazu noch sportliche Höchstleistungen erzielen, bin ich lediglich durchschnittlich. Du kannst dir daher vorstellen, dass ich keine Lust mehr habe, ständig im Schatten supererfolgreicher Leute zu stehen.“ Unwillig verzog sie das Gesicht. „Mir ist es nur ein einziges Mal gelungen, meine Eltern zu beeindrucken. Das war, als ich Cliff Richard getroffen habe. Meine Schwester beeindruckt durch wissenschaftliche Leistungen, mein Bruder schreibt gerade seine Doktorarbeit, zwei Jahre früher als normal, und gehört zu den besten Basketballspielern des Landes. Meine Geschwister sind Ausnahmetalente, die schon seit frühester Kindheit sämtliche Preise und Auszeichnungen abgeräumt haben. Ich habe noch nie einen Preis gewonnen, Seth. Meine Familie nimmt mich nur wahr, wenn ich Berühmtheiten treffe, meine Leistungen hingegen werden nicht anerkannt.“
„Aber sie müssen doch von deiner herausragenden Arbeit hier beeindruckt sein“, sagte Seth nachdenklich. „Was du hier leistest, ist nämlich einfach brillant.“
Schön wär’s, dachte Lena. Sie hatte sich immer nach Anerkennung von ihrer Familie gesehnt. Vermutlich war das dumm. „Was tue ich denn schon hier? Ich unterstütze Leute, die erfolgreicher sind als ich. Eigentlich habe ich nie etwas anderes getan.“ Vielleicht war das ihre Aufgabe im Leben.
„Deine Arbeit hier macht dir doch Spaß.“
„Ja. Ich liebe diesen Job. Allerdings stört es mich, dass meiner Familie selbst das nicht reicht.“
„Es gibt nur wenige Menschen, die deinen Job ausfüllen könnten, Lena. Du kannst unglaublich gut auf diese Männer mit ihrem aufgeblähten Ego und ihren Unsicherheiten eingehen. Dir macht es nichts aus, dich dabei im Hintergrund zu halten.“
„Danke, Seth. Aber besonders glamourös ist der Job natürlich nicht.“ Ganz im Gegenteil!
„Du darfst dein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Schließlich bist du ganz auf dich allein gestellt. Die meisten Leute benötigen ein ganzes Team zur Unterstützung“, gab Seth zu bedenken.
Lena horchte auf. „Hattest du denn Unterstützung?“ Seth hatte ja schon jetzt weit mehr erreicht als die meisten Menschen in seinem Alter. Dann erinnerte sie sich. „Ach nein! Deine Freundin hat dich ja verlassen.“
Er bestätigte dies mit einem flüchtigen Lächeln.
„Hat deine Mutter dich wenigstens unterstützt?“
„Sie wird mir nie verzeihen, dass ich das Medizinstudium abgebrochen habe, und wenn ich noch so viele Millionen verdiene.“
„Und dein Vater?“
„Dem war völlig gleichgültig, was ich getan oder gelassen habe.“ Seth schaute sie ernst an. „Es wäre
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