So hell wie der Mond
den Griff bekommst.«
Wieder machte sie die Augen zu. Die ganze Angelegenheit war furchtbar peinlich, dachte sie. Und außerdem züngelten hin und wieder noch Flammen heißer Panik in ihr auf.
Als sie die Augen wieder öffnete, nahm sie in helles Mondlicht getauchte Klippen, Wälder und eine gewundene, von dünnen Nebelschwaden überzogene Straße wahr. Hinter ihren Augen stiegen Tränen auf. Sie hatte ihn gebeten, sie nach Hause zu bringen, und er hatte instinktiv die richtige Route gewählt. Ihr Zuhause war nicht ihre Wohnung, sondern Templeton House.
Hinter den Fenstern brannte warmes Licht. Warm, einladend und ebenso verlässlich wie der morgendliche Sonnenaufgang. Blumenduft und Meeresrauschen schmeichelten der Nase und dem Ohr.
Noch ehe der Wagen in der Einfahrt zum Stehen kam, flog bereits die Haustür auf, und Laura kam herausgerannt.
»Oh, meine Liebe, ist alles in Ordnung mit dir?« Mit wehendem Bademantel riss Laura die Beifahrertür auf und zog Kate an ihre Brust. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!«
»Schon gut. Es ist einfach lächerlich. Ich …« Dann merkte sie, dass auch Ann antrabte, und beinahe hätte sie geweint.
»Jetzt bist du ja zu Hause, Liebes.« Ann legte einen Arm um Kate und führte sie den Weg hinauf. »Und jetzt gehen wir hinein.«
»Ich…« Aber es war zu herrlich, einfach den Kopf an Anns Schulter zu lehnen und sich darauf zu freuen, dass es gleich sicher ofenwarme Plätzchen, süßen Tee, weiche Laken und liebevolle Worte für sie gab.
»Byron.« Laura sah ihn geistesabwesend an. »Ich bin wirklich dankbar, dass Sie angerufen haben. Ich …« Sie blickte in Richtung von Kate, die zusammen mit Ann bereits auf halbem Weg zur Haustür war. »Bitte, kommen Sie doch noch auf einen Kaffee mit herein.«
»Nein. Ich fahre besser allmählich heim.« Es war offensichtlich, dass Laura in Gedanken ausschließlich bei der Cousine war. »Vielleicht komme ich die Tage vorbei, um zu sehen, was sie macht. Gehen Sie jetzt ruhig mir ihr rein.«
»Nochmals vielen Dank. Vielen, vielen Dank!« Eilig rannte sie los.
Er beobachtete, wie sie die anderen einholte, ebenfalls einen Arm um Kates Taille schlang und das Dreiergespann unlösbar miteinander verbunden im Haus verschwand.
Zwölf Stunden lang schlief sie und schlug erholt und überrascht die Augen auf. Sie befand sich in ihrem Jugendzimmer. Die Tapete wies immer noch die dezenten, pastellfarbenen Streifen auf – die ursprünglichen Jalousien waren seinerzeit durch Spitzengardinen ersetzt worden, die in der leichten, durch die offenen Fenster wehenden Brise schaukelten. Sie hatten Kates Großmutter gehört. Hatten das Schlafzimmer ihrer eigenen Mutter verziert. Tante Susie hatte gedacht, ihr Anblick hätte etwas Tröstendes für sie, als sie nach Templeton House gekommen war, und das traf wirklich zu. Auch jetzt noch spendete der Anblick Trost.
An zahllosen Vormittagen war Kate in dem großen, weichen Bett erwacht, hatte die Vorhänge in der Brise flattern sehen und sich ihren Eltern nahe gefühlt.
Ach, wenn sie doch jetzt mit ihnen sprechen könnte, dachte sie. Wenn sie doch versuchen könnte zu verstehen, warum ihr Vater zum Dieb geworden war. Aber was gäbe es da zu verstehen? Welche Rechtfertigung gäbe es für derartige Verfehlungen?
Am besten konzentrierte sie sich ausschließlich auf die Gegenwart, fände einen Weg ins Jetzt zurück. Aber wie sollte sie das bewerkstelligen?
Sicher war es vor allem das Haus, überlegte sie. Es barg so viele Erinnerungen. Es hatte seine Geschichte, hatte die verschiedensten Zeiten, Menschen, Geister erlebt. Genau wie die Klippen, die Wälder, die wild geformten Zypressen verströmte es Magie.
Sie vergrub ihr Gesicht in dem Kissen, das mit irischem Leinen bezogen war. Ann versah die Bettwäsche immer mit einem leichten Zitronenduft. Auf dem Nachttisch stand eine Vase aus Waterford-Kristall mit einem Strauß süß duftender Freesien, neben der ein Zettel lag. Da er Lauras Handschrift trug, schaute Kate ihn näher an.
Kate, ich wollte dich nicht wecken, als ich ging. Margo und ich sind heute morgen im Geschäft. Dass du dich dort ja nicht blicken läßt! Annie hat sich bereit erklärt, dich in deinem Zimmer einzusperren, falls es nötig ist. Wenn du dann nicht gerade schläfst, nimm bitte um Punkt elf die Medizin. Eine von uns kommt zum Mittagessen heim. Wir erwarten, dass du dich bis dahin nicht aus dem Bett erhebst. Falls du uns je wieder einen derartigen Schrecken einjagen solltest,
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