So hell wie der Mond
des Krankenhauses wahr. Nothilfestationen glichen sich immer. Die Luft war von Verzweiflung, Angst und Blut erfüllt. Desinfektionsmittel, Alkohol und Schweiß. Das Klatschen von Kreppsohlen und das Knirschen von Gummirädern auf Linoleum. Es lähmte sie. Am liebsten hätte sie sich auf dem harten Plastikstuhl, auf den er sie hatte sinken lassen, wie ein Fötus zusammengerollt.
»Bleib hier«, befahl er knapp, ehe er zu der Krankenschwester am Empfang hinüberging.
Sie hörte ihn nicht mehr.
Erinnerungen überwältigten sie. In ihren Ohren wurde das hohe, verzweifelte Kreischen von Sirenen laut, vor ihren Augen rotierten die pulsierenden roten Lichter des Krankenwagens. Sie war wieder das achtjährige Kind, und das dumpfe Pochen in ihrem Innern kam ihr wie eine frische Wunde vor. Blut – überall roch es nach Blut.
Nicht nach ihrem Blut. Oder zumindest kaum. Sie hatte gerade mal einen Kratzer abbekommen. Zerrungen, hatten sie gesagt. Geringfügige Schnittwunden. Eine leichte Gehirnerschütterung. Nichts Bedrohliches. Nichts, was ihr Leben dauerhaft veränderte.
Aber noch während sie nach ihrer Mutter geschrien hatte, hatten sie ihre Eltern auf Bahren davongerollt. Sie hatte sie nicht mehr gesehen.
»Du hast Glück«, sagte Byron, als er wieder neben sie trat. »Heute abend ist nicht viel los. Sie gucken gleich nach dir.«
»Ich halte es hier nicht aus«, murmelte sie. »Ich ertrag es einfach nicht.«
»Hier wird dir geholfen. Dazu sind Krankenhäuser schließlich da.« Er zog sie von ihrem Stuhl und stellte zu seiner Überraschung fest, dass sie sich gehorsam wie ein Hündchen von ihm führen ließ. Dann übergab er sie einer Schwester und nahm abwartend Platz.
Kate sagte sich, je kooperationsbereiter sie wäre, um so schneller ließen sie sie wieder gehen. Das müssten sie. Schließlich war sie kein kleines Kind, über das man so einfach entschied.
Sie betrat eine der Untersuchungskabinen und erschauerte, als man hinter ihr den Vorhang schloss.
»Mal sehen, was wir da haben.«
Die diensthabende Ärztin war jung und hübsch. Ein rundes Gesicht, schmale Augen hinter einer Brille mit Drahtgestell, dunkles, hochgestecktes Haar.
Damals war es ein Mann gewesen. Er war ebenfalls jung gewesen, aber mit einem erschöpften, alten Gesicht. Mechanisch beantwortete sie die Routinefragen. Nein, sie hatte keine Allergien, man hatte sie noch nie operiert, sie nahm keine Medikamente ein.
»Warum legen Sie sich nicht hin, Miss Powell? Ich bin Dr. Hudd. Ich werde Sie untersuchen. Tut Ihnen im Augenblick was weh?«
»Nein, nicht wirklich.«
Die Ärztin zog eine Braue hoch. »Nein, oder nicht wirklich?«
Kate machte die Augen zu und kämpfte gegen die aufwallende Panik an. »Ein bisschen.«
»Sagen Sie mir, wenn es schlimmer wird.«
Weiche Hände, dachte Kate, als die Ärztin sie vorsichtig abzutasten begann. Es schien, als wären Ärztehände immer weich. Dann atmete sie zischend ein, als die Ärztin die Hand unter ihr Brustbein schob.
»Das ist die Stelle, ja ? Wie oft treten diese Schmerzen auf?«
»Gelegentlich.«
»Kommen die Schmerzen für gewöhnlich so etwa eine Stunde, nachdem Sie etwas gegessen haben?«
»Manchmal.« Sie stieß einen Seufzer aus. »Ja.«
»Und wenn Sie Alkohol trinken?« »Ja.«
»Verspüren Sie dann auch Übelkeit?«
»Nein.« Kate fuhr sich mit der Hand über das schweißnasse Gesicht. »Nein.«
»Schwindelgefühl?«
»Nein. Das heißt, nicht wirklich.«
Dr. Hudd presste die ungeschminkten Lippen zusammen, als sie nach Kates Puls tastete. »Ein bisschen schnell.« »Ich will hier raus«, sagte Kate mit tonloser Stimme. »Ich hasse Krankenhäuser.«
»Ja, ich kenne das Gefühl.« Die Ärztin machte sich Notizen auf dem Krankenblatt. »Beschreiben Sie mir den Schmerz.«
Kate starrte die Decke an und tat, als spräche sie laut mich sich selbst. »Ein Brennen und manchmal auch ein nagender Schmerz im Magenbereich.« Sie würde nicht hier bleiben, erinnerte sie sich energisch. Nicht hinter diesem Vorhang, auf diesem Tisch! »So ähnlich wie heftiges Magenknurren. Manchmal wird es ziemlich stark.«
»Darauf wette ich. Und was haben Sie bisher dagegen unternommen?«
»Was man eben so bei Sodbrennen nimmt«, sagte Kate. »Maaloxan.«
Die Ärztin tätschelte ihr lächelnd die Hand. »Haben Sie viel Stress, Miss Powell?«
Mein Vater war ein Dieb, ich habe meinen Job verloren und sicher stehen jeden Augenblick die Bullen bei mir vor der Tür. Es gibt nichts, was ich dagegen
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