So hell wie der Mond
wolltest, mein Fräulein? Dass ich den Menschen, die dich lieben und denen dein Wohlergehen am Herzen liegt, die dir ein Heim und eine Familie gegeben haben, verschweigen soll, wie es dir geht?«
Niemand, dachte Kate voll Selbstmitleid, teilte Lob und Tadel wirkungsvoller aus als Ann. »Nein. Ich wollte sagen, dass ich sie selbst anrufen will. Und zwar heute noch.«
»So ist’s gut. Und wenn es dir wieder ein wenig bessergeht, wirst du dich außerdem persönlich bei Mr. De Witt dafür bedanken, dass er sich so rührend um dich gekümmert hat.«
»Ich …« Bei dem Gedanken an die dabei zu erwartende weitere Erniedrigung stocherte Kate lustlos in ihrem Rührei herum. »Aber ich habe mich bereits bei ihm bedankt.«
»Dann bedankst du dich eben noch ein zweites Mal.« Ann blickte auf, als sie ein leises Klopfen an der Zimmertür vernahm.
»Bitte entschuldigen Sie. Die hier wurden eben für Miss Powell abgegeben.« Das Mädchen trug eine lange weiße Blumenschachtel herein und legte sie am Fuß des Bettes ab.
»Danke, Jenny. Warten Sie einen Augenblick, bis wir wissen, welches die passende Vase ist. Nein, du ißt schön brav weiter«, sagte Ann an Kate gewandt. »Ich mache die Schachtel auf.«
Sie löste die Schleife, hob den Deckel an, und sofort war der Raum von süßem Duft erfüllt. Zwei Dutzend langstieliger gelber Rosen lagen in einem Bett aus schimmerndem Grün. Bei ihrem Anblick stieß Annie einen leisen, femininen Seufzer aus.
»Holen Sie die Baccarat-Kristallvase, ja, Jenny? Die große aus der Bibliothek.«
»Sehr wohl, Ma’am.«
»Jetzt weiß ich, dass ich krank bin.« Vergnügt öffnete Kate den der Schachtel beigefügten Umschlag. »Wenn Margo mir schon Blumen schickt …« Aber als sie die Karte las, riß sie mit einem Mal die Augen auf.
»Ich nehme an, dass die Blumen nicht von Margo sind.« Mit dem Recht der seit Jahren liebenden Ziehmutter nahm Ann Kate die Karte aus der Hand. »›Spann mal richtig aus, Byrons Aber hallo!«
»Nichts mit ›Aber hallo‹. Ich tu ihm einfach leid.«
»Zwei Dutzend gelber Rosen drücken meiner Meinung nach etwas anderes als Mitleid aus, Mädchen. Ich finde, ein solcher Strauß hat eher etwas mit Romantik zu tun.«
»Wohl kaum.«
»Nun, zumindest ist er sehr verführerisch.«
Kate erinnerte sich an den wilden, heißen, intensiven Kußaustausch, der so rüde unterbrochen worden war. »Vielleicht. Halbwegs. Nur bin ich wohl kaum der verführerische Typ.«
»Der sind wir alle. Danke, Jenny. Den Rest erledige ich selbst.«
Ann nahm dem Mädchen die Vase ab und ging, um sie zu füllen, ins angrenzende Bad. Als sie wieder zurück ins Zimmer kam, stellte sie ohne Überraschung, aber voller Freude fest, dass Kate gedankenverloren an einer der üppigen Blüten schnupperte.
»Trink du deinen Tee, während ich mich um den Strauß kümmere, ja? Ich finde, Blumen zu arrangieren ist etwas ungeheuer Entspannendes.«
Sie nahm ein Schere aus einer Schublade des alten Schreibtisches, breitete das Seidenpapier, in das die Blumen gewickelt waren, auf der Kommode aus, und machte sich ans Werk. »Man sollte sich dabei Zeit lassen, weil es einem auf diese Weise die größte Freude bereitet. Sie einfach in eine größenmäßig halbwegs passende Vase zu stopfen – da fehlt der Spaß.«
Kate listete gerade im Geiste die ihr bekannten Eigenschaften ihres Retters auf. Er war selbstbewusst, freundlich, attraktiv, mischte sich ständig in die Angelegenheiten anderer Leute ein und war sexy ohne jedes Maß. »Zumindest ist die Arbeit dann getan.«
»Tja, wenn das alles ist, worauf es dir ankommt. Meiner Meinung nach ging es dir in deinem ganzen Leben leider immer nur darum, irgendwelche Dinge zu erledigen. An das Vergnügen, das man bei der Arbeit haben kann, hast du offensichtlich nie gedacht. Vielleicht ist es produktiv, alles immer möglichst zügig zu erledigen – aber lustig ist es sicher nicht.«
»Meine Arbeit hat mir durchaus Spaß gemacht«, murmelte Kate.
»Ach tatsächlich? Soweit ich es beurteilen kann, siehst du selbst deine allwöchentliche Schatzsuche zusammen mit den anderen als Teil deines routinemäßigen Arbeitspensums an. Laß mich dir eine Frage stellen, ja? Wenn du durch irgendeinen Zufall im Laufe deiner Bemühungen um Effizienz über Seraphinas Mitgift stolpern solltest, was würdest du dann damit anfangen?«
»Was ich damit anfangen würde?«
»Genau das habe ich gefragt. Würdest du das Geld nehmen und um die Welt segeln, dich an irgendeinem schönen
Weitere Kostenlose Bücher