So hell wie der Mond
bekommst du es mit mir zu tun. Ich liebe dich, Laura.
Typisch Laura, dachte Kate und legte den Zettel auf den Nachttisch zurück. Aber sie konnte unmöglich den ganzen Tag im Bett bleiben. Dort hätte sie zuviel Zeit zum Nachdenken. Nein, es war besser, wenn sie das Kind beim Namen nannte, dachte sie. Sie müsste etwas finden, das sie davor bewahrte, in Grübelei zu versinken. Irgendwo musste ihre Aktentasche sein. Am besten …
»Und was bildest du dir ein, was du da tust?« Ein Tablett in den Händen und ein strenges Glitzern in den Augen betrat Ann Sullivan den Raum.
»Ich … wollte nur ins Bad. Mehr nicht.« Vorsichtig stellte Kate den zweiten Fuß auf dem Boden ab und wandte sich dem angrenzenden Badezimmer zu.
Lächelnd stellte Ann das Tablett auf dem Schreibtisch ab, trat neben das Bett und schüttelte kräftig die Kissen aus. Alle ihre Mädchen hielten sich für gute Lügnerinnen, dachte sie. Dabei besaß nur Margo ein gewisses Talent.
Reglos wartete sie, bis Kate wieder zurückkam, und wies dann ohne Worte aufs Bett.
»Und jetzt werde ich dafür sorgen, dass du vernünftig ißt, deine Medikament nimmst und dich benimmst.« Mit ruhigen, geschickten Bewegungen stellte Ann das Tablett auf den Nachttisch. »So, so, dann hast du also ein Magengeschwür. Aber keine Angst, das kriegen wir schon wieder hin. Mrs. Williamson hat leckeres Rührei, Toast und Kräutertee für dich gemacht. Sie sagt, Kamillentee beruhigt. Und außerdem ißt du ein bisschen Obst. Die Melone ist wirklich mild.«
»Zu Befehl, Ma’am.« Kate hatte wirklich Appetit. »Annie, es tut mir leid.«
»Was tut dir leid? Dass du ein elender Dickschädel bist? Das sollte es auch.« Trotzdem setzte sie sich auf die Bettkante und legte wie früher so oft Kate die Hand auf die Stirn, um zu fühlen, ob sie vielleicht Fieber hatte. »Du hast so lange geackert, bis es einfach zuviel geworden ist. Guck dich nur an, du bist nichts als Haut und Knochen, Kate. Also iß jetzt bitte den Teller leer.«
»Ich dachte, es wäre Sodbrennen«, murmelte Kate, biß sich auf die Lippen und senkte verlegen den Kopf. »Oder Krebs.«
»Was ist denn das nun wieder für ein Unsinn?« Entgeistert umfaßte Ann Kates Kinn und zwang die junge Frau, sie anzusehen. »Du hattest Angst, du hättest vielleicht Krebs – und hast uns nichts davon gesagt?«
»Tja, ich dachte, wenn es Sodbrennen wäre, könnte ich damit leben, und wenn es Krebs wäre, stürbe ich sowieso.« Sie fuhr zusammen, als sie Annies zornige Miene sah. »Ich komme mir wirklich idiotisch vor.«
»Das freut mich zu hören, denn das ist auch ein sträfliches Verhalten.« Annie schenkte Tee in eine Tasse ein. »Kate, ich liebe dich, aber in meinem ganzen Leben war ich auf niemanden wütender als im Augenblick auf dich. Oh, nein! Wag es ja nicht, in Tränen auszubrechen, während ich dich anschreie.«
Schniefend nahm Kate das ihr von Ann hingehaltene Taschentuch und schneuzte sich. »Tut mir leid«, wiederholte sie.
»Meinetwegen.« Seufzend reichte Annie ihr ein weiteres Tempo. »Ich dachte, Margo wäre diejenige von euch, die mich eines Tages in den Wahnsinn treibt. Vielleicht hast du dich zwanzig Jahre lang wie ein Engel aufgeführt – aber inzwischen stehst du ihr in nichts mehr nach. Hast du auch nur ein einziges Mal irgendjemand aus deiner Familie gegenüber erwähnt, dass du dich unwohl fühlst? Hast du auch nur ein einziges Mal daran gedacht, wie es für uns sein würde, lägst du plötzlich im Krankenhaus?«
»Ich dachte, ich käme allein damit zurecht.«
»Aber das tust du nicht, oder?«
»Nein.«
»Iß die Eier, bevor sie kalt werden. Unten in der Küche steht Mrs. Williamson und ist außer sich vor Sorge um dich. Und unser alter Joe, der Gärtner, hat seine kostbaren Freesien für dich geschnitten, damit sie dich beim Aufwachen erfreuen. Margo hat mich heute Morgen über eine halbe Stunde lang am Telefon mit Fragen bestürmt, weil sie vor Angst um dich beinahe den Verstand verliert. Josh kam, bevor er heute Morgen zur Arbeit fuhr, extra hier vorbei, um zu sehen, wie es dir geht. Und meinst du, Laura hätte heute Nacht auch nur ein Auge zugetan?«
Während sie ihre Strafpredigt hielt, bestrich Ann einen Toast mit Himbeermarmelade und reichte ihn Kate. »Und was meinst du, wie es den Templetons gehen wird, wenn sie hören, was geschehen ist?«
»Oh, Annie, bitte …«
»Sag es ihnen nicht?« fragte Ann und bedachte Kate erneut mit einem strengen Blick. »War es das, was du sagen
Weitere Kostenlose Bücher