So hoch wie der Himmel
machte sie es immer noch verkehrt, »Ich habe dir nicht genug von den schönen Augenblicken erzählt.
Es gab nicht nur Trauer und Leid. Die Wahrheit ist, dass er über viele Jahre hinweg in meinem Leben existierte. Ich sah ihn zum ersten Mal, als ich sechs war und er neun. Er fiel allen Leuten auf, dieser Johnny Sullivan, mit dem Lachen eines Teufels und den Augen eines Engels. Und ich wollte ihn. Also habe ich mich darangemacht, ihn zu erobern.«
»Du?« Margo verschlug es beinahe die Sprache. »Du hast mit ihm geflirtet?«
»Schamlos. Und mit siebzehn habe ich es geschafft und nahm seinen Antrag an, ehe er mit seiner kurzen Rede fertig war.« Sie stieß einen langen, tiefen Seufzer aus. »Hoffentlich verstehst und glaubst du das. Ich habe ihn geliebt, Margo, so wie man einen Menschen nur lieben kann. Und als er starb und das Baby in mir mit, wollte ich ebenfalls davon, und hätte es vielleicht auch getan, wenn du nicht gewesen wärst. Du hast mich gebraucht. Und ich dich!«
»Aber warum hast du dann Irland verlassen? Schließlich wäre deine Familie dir zur Seite gestanden.«
Sie blickte zurück und immer noch sah sie die felsigen Klippen und die stürmische See vor sich. »Ich hatte etwas verloren, von dem ich dachte, es gehörte mir für alle Zeit. Etwas, das ich geliebt hatte und als das Meine betrachtete, seit ich ein kleines Mädchen war. Nicht einmal die Luft dort ertrug ich mehr ohne ihn. Es war Zeit für einen Neubeginn.«
»Hattest du denn keine Angst?«
»Oh, ganz fürchterliche sogar!« Wieder setzte sie ein versonnenes Lächeln auf, und sie merkte, dass ihr ebenfalls der Sinn nach einem Schluck Champagner stand; also nahm sie das Glas ihrer Tochter und hob es an ihre Lippen. »Aber ich habe gekämpft. Demnach hast du vielleicht mehr von mir geerbt, als ich dachte. Ich war dir gegenüber stets zu hart, Margo. Aber erst jetzt erkenne ich, wie hart. Zugleich habe ich viel gebetet für dich. Du warst ein erschreckend hübsches Kind mit einem wilden Temperament – eine gefährliche Mischung. Ein Teil von mir hatte Angst, dich zu sehr zu lieben, denn … nun, noch einmal einen Menschen so sehr zu lieben erschien mir, den lieben Gott zu versuchen. Ich konnte es dir einfach nicht zeigen, habe es nicht gewagt; denn dich auch noch zu verlieren wäre mein Ende gewesen.«
»Ich dachte immer …« Margo schüttelte den Kopf.
»Nein, sag es ruhig. Bitte, was denkst du?«
»Mir kam es vor, als wäre ich nicht gut genug für dich.«
»Was wohl mein Fehler war.« Ann preßte die Lippen aufeinander und fragte sich, wie sie über all die Jahre hinweg so blind hatte sein können. »Deinen Charakter begriff ich nicht und hatte Angst um dich. Ich konnte nie verstehen, weshalb du so viele Dinge begehrst. Und ich sorgte mich, weil du an einem Ort aufwuchst, an dem es so viel gab, was anderen gehörte. Vielleicht verstehe ich dich heute noch nicht, aber ich liebe dich. Was ich dir einfach nicht oft genug gesagt habe.«
»So etwas zu sagen oder selbst zu empfinden, ist nicht immer leicht. Aber eigentlich habe ich es trotzdem immer gewußt.«
»Leider wusstest du nicht, dass ich stolz auf dich bin.« Ann biß sich auf die Lippe. Schließlich hatte ihr eigener Stolz ihr stets den Mund verschlossen. »Es gefiel mir, als ich dein Gesicht zum ersten Mal auf der Titelseite einer Zeitschrift sah. Und auch danach fand ich dich jedesmal, wenn du irgendwo abgebildet warst, hinreißend.« Sie trank einen zweiten Schluck Champagner und bekannte: »Ich habe sie alle aufgehoben.«
Margo blinzelte verwirrt. »Aufgehoben?«
»Sämtliche Bilder von dir. Master Josh hat sie mir geschickt und ich habe sie in ein Fotoalbum geklebt. Tja, in mehrere Alben, um genau zu sein«, verbesserte sie sich. »Denn allmählich wurden es ja immer mehr.« Mit einem verlegenen Lächeln sah sie auf das leere Glas. »Es könnte sein, dass ich ein bißchen beschwipst bin.«
Ohne nachzudenken, stand Margo auf, holte die Flasche aus dem Kühlschrank, zog den silbernen Verschluß heraus und schenkte ihrer Mutter nach. »Du hast meine Photos aufgehoben und in Alben geklebt?«
»Und auch die Artikel, in denen es um dich ging, jeden noch so banalen Klatsch.« Sie winkte mit ihrem Glas. »Nicht alles, was dort geschrieben stand, konnte ich gutheißen, und dabei glaube ich sogar, dass der Junge die schlimmsten Artikel zurückhielt.«
Margo verstand, dass Josh ›der Junge‹ war und lächelte. »Das war sicher aus Rücksicht.«
»Aus Rücksicht auf
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