So hoch wie der Himmel
nichts mehr bedeutete.
»Darf ich mal dein Parfüm ausprobieren, Tante Margo? Das in der hübschen goldenen Flasche? Bitte, ja?«
Margo sah in Kaylas hoffnungsvolle Miene. Würden in der Filmindustrie je Engel gesucht, überlegte sie, dann wäre die Kleine mit ihren sanften grauen Augen und den fröhlichen Grübchen in den Wangen geradezu prädestiniert dafür.
»Aber nur ein paar Tropfen.« Margo nahm den Stopfen heraus und tupfte einen Hauch des Parfüms hinter Kaylas Ohren. »Schließlich ist es besser, wenn eine Frau mit ihren Reizen geizt.«
»Wieso das?«
»Weil das Geheimnisvolle einer Frau das Gewürz ist, durch das sie erst den letzten Pfiff bekommt.«
»Wie wenn man Pfeffer ans Essen macht?«
Ali, mit ihren neun Jahren drei Jahre älter als Kayla, schnaubte verächtlich, aber Margo zog die Kleine auf ihren Schoß und küßte sie. »Sozusagen, ja. Möchtest du auch ein bißchen duften, Ali?«
Obgleich Ali die faszinierenden Flaschen und Tiegel auf dem Ankleidetisch beinahe mit den Augen verschlang, verlieh sie ihrer Stimme einen möglichst herablassenden Klang. »Vielleicht, aber ich will etwas anderes als sie.«
»Also dann, gucken wir nach etwas anderem. Nach etwas …« Margo sah die einzelnen Flaschen grübelnd an. »Verwegenem.«
»Aber nicht zu viel«, warf Kayla ein.
»Genau. Hier haben wir’s.« Ohne nachzudenken opferte Margo ein paar Tropfen des neuen Bella-Donna-Tigre-Dufts, der zweihundert Dollar pro Unze kostete. In ihrer Wohnung in Mailand lagen sicher noch zwanzig der prächtigen, mundgeblasenen Flakons herum. »Nicht mehr lange, und du wirst mich um Haupteslänge überragen«, sagte sie, wobei sie Ali durch die üppigen, goldenen Locken fuhr.
»Ich bin alt genug, um mir Löcher in die Ohren pieken zu lassen, aber Daddy erlaubt es nicht.«
»Männer sehen solche Dinge einfach nicht ein.« Da sie die Kleine jedoch bestens verstand, tätschelte sie ihr mitfühlend die Wange, ehe sie Kayla sanft von ihren Knien schob. »Sich schön zu machen ist das Privileg der Frau.« Sie sah Ali lächelnd an und wandte sich dann wieder der Perfektionierung ihres eigenen Äußeren zu. »Deine Mom wird ihn sicher überreden können, dass er es dir beizeiten erlaubt.«
»Sie kann ihn zu gar nichts überreden. Er hört ihr gar nicht zu.«
»Er ist sehr beschäftigt«, ergänzte Kayla feierlich, »muß immer arbeiten, damit er unseren Lebensstand erhalten kann.«
»… unseren Lebensstandard …«, verbesserte Ali und rollte die Augen himmelwärts. Kayla hatte keine Ahnung, dachte sie. Manchmal verstand Mama etwas, und Tante Kate hörte ihr zumindest immer zu; aber sie hegte inbrünstig die Hoffnung, dass ihre elegante und geheimnisvolle Tante Margo alles, was ihr auf dem Herzen lag, begriff.
»Tante Margo, bleibst du jetzt für immer hier, nachdem diese Dinge geschehen sind?«
»Das steht noch in den Sternen.« Margo legte ihren Lippenstift auf den Tisch zurück.
»Ich bin froh, dass du endlich nach Hause gekommen bist.« Ali schlang ihr die Arme um den Hals.
»Genau wie ich!« Ehe ihre Rührung die Oberhand gewann, stand sie eilig auf, nahm die Kinder an den Händen und wandte sich zur Tür. »Laßt uns runtergehen und sehen, ob es nicht schon vor dem Abendessen irgendwas Köstliches zu naschen gibt.«
»Wir bekommen im vorderen Salon die Hors d’ceuvre serviert«, sagte Ali in erhabenem Ton, ehe sie fröhlich kicherte. »Wenn wir die kriegen, bleiben wir meistens gar nicht bis zum Abendessen auf.«
»Folgt mir, ihr Schätze.« Am oberen Rand der Treppe blieb sie stehen. »Laßt uns zusehen, dass uns unser Auftritt nicht misslingt. Kinn nach oben, gelangweilter Blick, Bauch rein, Finger lässig auf das Geländer gelegt.«
Auf halbem Weg die Treppe hinab sah sie unten ihre Mutter stehen. Ann stand mit gefalteten Händen hochaufgerichtet im Foyer.
»Ah, Lady Alison, Lady Kayla, es ist uns eine Freude, dass die beiden Damen uns heute abend mit ihrer Anwesenheit beim Dinner beehren. Die Erfrischungen werden im vorderen Salon gereicht.«
Ali nickte huldvoll mit dem Kopf und brachte gerade noch ein würdevolles »Danke, Miss Annie« heraus, ehe sie hinter ihrer Schwester die Treppe hinunterhüpfte.
Erst als Margo ebenfalls unten angelangt war, nahm sie das amüsierte Blitzen in den Augen ihrer Mutter wahr. Zum ersten Mal seit ihrer Heimkehr lächelten die beiden einander fröhlich zu.
»Ich hatte ganz vergessen, wie lustig es mit den beiden ist.«
»Miss Laura hat wirklich zwei kleine
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