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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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umklammerte und in irgendeinen geeigneten Körperteil biß – natürlich
     nie ernstlich. Die Kleine schrie zwar, aber nur, weil es zum Spiel gehörte... Daß es sich übrigens bei der besprochenen Bewegungsweise
     um eine Jagdmethode handelt, scheint mir auch daraus deutlich zu sein, daß ihr fast immer ein höchst realistisch gespieltes
     Belauern und Anschleichen vorausgeht.
     
    Die Aufgabe, fremdartigen Hausgenossen gegenüber den Jagdtrieb unter Hemmung zu setzen, fällt Hunden erfahrungsgemäß verschieden
     schwer. Während es sehr einfach ist, |89| sogar ungemein jagdleidenschaftlichen Hunden das Töten von Vögeln abzugewöhnen, bietet es unerwartete Schwierigkeiten, sie
     von manchen kleinen Säugetieren zurückzuhalten. Am stärksten scheint sie das Kaninchen zur Jagd zu verführen; in diesem Punkt
     sind selbst katzenreine Hunde nicht verläßlich. Susi zeigt dagegen unbegreiflicherweise keinerlei Interesse an Goldhamstern,
     während sie die im Zimmer freilaufende Wüstenspringmaus trotz wiederholten Verwarnungen eingestandenermaßen umbringen will.
    Eine der größten Überraschungen erlebte ich vor vielen Jahren, als ich zu meinen damaligen scharfen Schäferhunden einen zahmen
     Dachs heimbrachte. Ich hatte erwartet, daß dieses fremdartige, wilde Tier ein äußerst lockendes Objekt für alle bösen Jagdinstinkte
     der Hunde sein würde. Im Gegenteil. Die Hunde berochen den ihnen furchtlos entgegentretenden und offensichtlich schon von
     früher mit Hunden vertrauten Dachs zwar mißtrauischer und gespannter als einen anderen Hund, aber es war vom ersten Augenblick
     aus allen ihren Ausdrucksbewegungen eindeutig klar, daß sie im Dachs kein jagdbares Wild, sondern einen etwas eigentümlichen
     Artgenossen sahen. Wenige Stunden nach seiner Ankunft spielten sie mit ihm schon in hemmungsloser Intimität. Dabei war es
     erheiternd zu beobachten, wie die Spielweise des dickfelligen Gesellen ein wenig zu grob für die dünnere Haut der Hunde war.
     Immer wieder hörte man einen der Hunde schmerzlich aufheulen, weil der Dachs zu hart zufaßte. Dennoch wurde aus dem Kampfspiel
     niemals Ernst, und die Hunde brachten den sozialen Hemmungen des Dachses vollstes Vertrauen entgegen: Sie ließen sich von
     ihm auf den Rücken rollen, an der Kehle fassen und nach allen Regeln der Kunst »abwürgen«, genau so, wie sie selbst es einem
     befreundeten Hunde gegenüber getan hätten.
    Eigenartig war das Verhalten aller meiner Hunde zu Affen. Meine zahmen Halbaffen, vor allem den netten Mongozmaki (Lemur mongoz
     L.) »Maxi«, mußte ich anfänglich durch strenge Befehle und Strafen vor den Hunden schützen. Auch später wurde er, wenigstens
     im Freien, von den Hunden |90| ernstlich gejagt, was ihm aber nur Spaß machte. Auch lag die Schuld nicht ausschließlich auf seiten der Hunde, denn Maxi kannte
     kein größeres Vergnügen als von hinten heranzuschleichen, einen Hund kräftig in den Hintern zu zwicken oder am Schwanz zu
     zerren, dann eiligst auf einen Baum zu springen und nun aus sicherer Höhe seinen langen Schwanz gerade so tief herabbaumeln
     zu lassen, daß er außerhalb der Reichweite des mit Recht empörten Hundes blieb.
    Noch gespannter war Maxis Verhältnis zu den Katzen, vor allem zu unserer Pussy, der Mutter unzähliger Katzenkinder. Maxi war
     nämlich eine alte Jungfer. Obwohl ich zweimal für sie einen Mann gekauft hatte, war es nicht gelungen, sie glücklich zu verheiraten:
     Der eine erblindete, der andere fiel einem Unglück zum Opfer. So war Maxi kinderlos geblieben, und wie manche kinderlose Frau
     neidete sie glücklichen Müttern ihren Familiensegen. Eine solche glückliche Mutter war Pussy regelmäßig zweimal jährlich.
     Maxi brachte nun den jungen Katzen ein so leidenschaftliches Interesse entgegen, wie die unverheiratete Schwester meiner Mutter
     meinen Kindern. Während aber meine Frau unsere Kinder der guten Tante Hedwig ohne Widerstand, ja häufig mit großer Dankbarkeit
     für einige Zeit zur Pflege überließ, dachte Pussy ganz anders. Sie betrachtete die Makifrau mit äußerstem Mißtrauen, und diese
     mußte mit größter Vorsicht verfahren, wollte sie sich ein Katzenkind verschaffen, um es »zu herzen und zu küssen«. Und doch
     gelang es ihr immer wieder. So sorgfältig auch die Katze ihren Wurf versteckte und bewachte, Maxi fand das Nest und bemächtigte
     sich einer kleinen Katze. Das geraubte Kind hielt sie, wie Makimütter tun, mit einem Hinterfuß gegen den Bauch gepreßt.

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