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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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und Viktor, die mich wütend gegen den Angriff eines
     sonst von ihnen sehr gefürchteten uralten Gänserichs verteidigten – ja, diese Tiere |95| waren wirklich mit mir befreundet, das heißt, die Liebe beruhte auf Gegenseitigkeit. Daß Entsprechendes zwischen verschiedenartigen
     Tieren nur sehr selten vorkommt, hat seinen Grund zum großen Teil in »sprachlichen Schwierigkeiten«: So versteht, wie bereits
     erwähnt wurde, die Katze angeborenermaßen nicht einmal die gröbsten, sinnfälligsten Ausdrucksbewegungen des Zornes eines Hundes,
     dieser hingegen nicht die der Katze – um wieviel weniger dann all die feinsten Schattierungen sozialer Freundschaftsgefühle,
     deren beide an sich fähig sind. Selbst das enge Verhältnis zwischen Bully und Thomas, das im Laufe der Jahre durch eine Zunahme
     gegenseitigen Verständnisses und durch Gewöhnung wirklich einige Tiefe gewann, möchte ich kaum als Freundschaft bezeichnen,
     ebensowenig die Beziehungen zwischen meinem Schäferhund und dem Dachs. Dies aber waren die intimsten und einer Freundschaft
     am nächsten kommenden Beziehungen, die zwischen einander zoologisch fernstehenden Tieren in meinem Hause je bestanden haben;
     und es haben darin in vierzig Jahren sehr viele und sehr verschiedene Lebewesen in tiefstem Burgfrieden nebeneinander gelebt,
     die Gelegenheit, Freundschaft zu schließen, wäre also wohl vorhanden gewesen. Damit will ich aber nur die Seltenheit wirklicher
     Freundschaft zwischen verschiedenartigen Tieren, vor allem zwischen Hund und Katze, betonen, keineswegs jedoch ihre Möglichkeit
     leugnen. Ich selbst habe nur einen einzigen Fall beobachtet: Die Bindung, welche auch ich als Freundschaft gelten lasse, bestand
     zwischen einem kleinen, rasselosen, gefleckten Hund und einer dreifarbigen weiblichen Katze. Beide Tiere wohnten in einem
     Bauernhause meines Heimatdorfes. Der Hund war schwächlich und sehr feige, die Katze kräftig und mutig. Sie war auch viel älter
     als der Hund und hatte ihm offenbar schon in seiner frühen Jugend Gefühle entgegengebracht, die leicht mütterlich getönt waren.
     Die beiden Tiere spielten nicht nur miteinander, sondern jedes legte den größten Wert auf die Gesellschaft des anderen, so
     daß man sie sogar
zusammen
durch den Garten oder auf der Dorfstraße gehen sah. Diese merkwürdige Tierfreundschaft |96| bestand auch die letzte und entscheidende Probe. Der Hund gehörte zu den erklärten Feinden meines Bully. Eines Tages überraschte
     ihn Bully auf offener Dorfstraße, und es entstand eine durchaus ernste Rauferei. Da – man mag mir glauben oder nicht – kam
     die Katze aus der Tür des Hauses geschossen, griff wie eine Furie in den Kampf ein, schlug Bully nach wenigen Sekunden in
     die Flucht und ritt, wie Freiligraths Löwe auf den Schultern des Fliehenden sitzend, noch eine gute Strecke dahin! Eben weil
     solche echten und tiefen Bindungen zwischen ungleichartigen Tieren vorkommen, darf man es um so weniger als »Freundschaft«
     bezeichnen, wenn ein überfütterter, temperamentloser Stadthund und eine ebensolche Katze im Zimmer des Herrn aus einer Schüssel
     fressen, ohne einander etwas zu tun.

|97| Zäune
    Ein alltäglicher Vorfall: Ich gehe einen Gartenzaun entlang, und dahinter bellt, knurrt und wütet ein großer Hund. Mit gefletschten
     Zähnen drängt er gegen den Maschendraht, offensichtlich hindert nur der Zaun das Tier, mir an die Gurgel zu springen. Ich
     lasse mich jedoch von den schrecklichen Drohgebärden nicht einschüchtern, sondern öffne unbedenklich das Gartentor. Der Hund
     stutzt, ist verlegen, bellt zwar der Form halber weiter, aber es klingt bereits weniger bedrohlich; man merkt deutlich, er
     hätte schon vorher nicht so wütend gebelfert, hätte er vorausgesehen, daß ich die Undurchdringlichkeit des Zaunes nicht respektieren
     würde. Es kann sogar vorkommen, daß er nach Öffnen der Gartentür viele Meter flieht und nun aus sicherer Entfernung in völlig
     anderen Tönen weiterbellt. Es kann schließlich aber auch sein, daß ein sehr scheuer Hund oder Wolf hinter dem Gitter überhaupt
     kein Zeichen von Feindseligkeit oder Furcht erkennen läßt, aber, sobald sich – eine Tür in dem Hindernis auftut, den eintretenden
     Menschen augenblicklich angreift, und zwar nicht nur zum Schein, sondern mit gefährlicher Tatkraft.
    So widerspruchsvoll und einander ausschließend diese beiden Verhaltensweisen zu sein scheinen, sind sie doch durch einen und
     denselben Mechanismus zu

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