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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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Gefühle unversehens um, oder
     die Annäherung hatte sich nur während meiner Abwesenheit angebahnt. Als eines Tages Thomas den Hund zu einem Verfolgungsspiel
     aufforderte, sah ich, vorerst erstaunt, aber auch entrüstet, wie Bully wütend der Katze nachjagte, die unter dem Sofa verschwand.
     Den dicken Kopf unter das Möbelstück gezwängt, blieb der Hund liegen und reagierte auf meinen empörten Anruf nur mit einem
     lebhaften Wedeln seiner Krüppelrute. Dieses Wedeln besagte nun durchaus nicht eindeutig, daß er der
Katze
freundliche Gefühle entgegenbringe, denn er wedelte auch dann regelmäßig, wenn er sich in einen Kampfesgegner verbissen hatte
     und ich die beiden Raufer zu trennen versuchte.
Vorne
biß er mörderisch |87| zu,
hinten
dagegen wedelte er freundlich – welch erstaunliche Komplikation der Seelenvorgänge! Das Wedeln hieß dann gewissermaßen: »Geliebter
     und verehrter Herr, bitte sei nicht böse, aber ich kann diesen gemeinen Köter zu meinem größten Bedauern im Augenblick selbst
     dann nicht auslassen, wenn du mir die ärgsten Prügel geben oder – was Gott verhüte – einen Kübel kaltes Wasser über mich gießen
     solltest!«
    Diese
Art von Wedeln lag indessen hier nicht vor. Als Bully schließlich doch gehorchte und sich vom Sofa abwandte, kam Thomas wie
     aus einer Kanone geschossen hervor, stürzte sich auf den Hund, schlug ihm die eine Pranke in den Nacken, die andere ins Gesicht
     und versuchte ihn von unten her in die Gurgel zu beißen, wobei er mühsam das Köpfchen verdrehte. Die beiden Tiere erinnerten
     an ein Bild Wilhelm Kuhnerts, das einen Löwen darstellt, der an einem Kaffernbüffel die gleichen Tötungsbewegungen ausführt.
     Und nun geschah das Erstaunliche: Bully ging sofort auf das Spiel ein, mimte überzeugend das Schlachtopfer, brach schwer vorne
     nieder, gab dem Zug der kleinen Katzenpranken nach, rollte auf den Rücken und röchelte, wie es nur ein fröhlicher Bulldogg
     kann oder ein Kaffernbüffel, der tatsächlich umgebracht wird. Als er sich nach seinem Dafürhalten lange genug hatte töten
     lassen, ergriff Bully seinerseits die Initiative, sprang auf und schüttelte den Kater ab. Dieser floh, ließ sich aber nach
     wenigen Metern vom Hund einholen, indem er eine Genickrolle machte, und nun entspann sich eines der reizendsten Tierspiele,
     die ich je gesehen habe. Der Kontrast zwischen dem schwarz glänzenden, plumpen, kraft- und muskelstrotzenden Körper des Hundes
     und dem zarten, geschmeidigen, graugetigerten des Kätzchens war bezaubernd.
    Eine wissenschaftlich interessante Seite derartiger Spiele von Katzen mit Partnern, die größer als sie selbst sind, liegt
     in folgendem: die im Spiele ausgeführte Bewegungsweise dient sicherlich nicht dem Kampfe, sondern dem Nahrungserwerb, dem
     Schlagen großer Beutetiere. Eine Beute aber, der man eine Pranke in den Nacken schlägt und die man von |88| unten her in die Kehle beißt, muß zweifellos
größer,
zumindest höher sein als das betreffende katzenartige Raubtier. Eine solche Beute tötet aber normalerweise weder unsere Hauskatze,
     noch tut dies die Wildform, von der sie abstammt. Es scheint hier also der bemerkenswerte, aber durchaus nicht vereinzelte
     Fall vorzuliegen, daß eine stammesgeschichtlich sehr alte, in der betreffenden Verwandtschaftsgruppe weit verbreitete Bewegungsweise
     bei einer bestimmten Art ihre ursprüngliche, arterhaltende Bedeutung verliert, trotzdem aber weitervererbt wird, jedoch nur
     mehr im Spiel des Tieres zu beobachten ist.
    Nach dem Tode Thomas’ dauerte es mehrere Jahre, ehe ich wieder Gelegenheit hatte, die »Kaffernbüffeltötbewegung« im Spiel
     einer Katze zu sehen. Der Löwe wurde damals von einem sehr großen, silbertabbyfarbigen Kater gespielt, der Kaffernbüffel von
     meiner eineinhalbjährigen Tochter Dagmar. Da die beiden sehr befreundet waren, ließ sich der nicht gerade sanfte Kater viel
     gefallen. Dagmar durfte ihn herumschleppen, obwohl er fast so lang wie das Kind war, so daß es ihn nicht ganz frei zu tragen
     vermochte: Mindestens sein prächtiger schwarz und silbern geringelter Schwanz schleifte immer auf der Erde, früher oder später
     trat das Kind darauf, stolperte und fiel bäuchlings auf den Kater – es war zweifellos viel verlangt, da nicht zu beißen und
     zu kratzen. Er hielt sich aber dadurch schadlos, daß ihm Dagmar eben als Kaffernbüffel herhalten mußte. Es war aufregend zu
     beobachten, wie er das Kind belauerte, dann ansprang,

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