So kam der Mensch auf den Hund
der Hund rein zufällig denselben Weg. Dies kommt nämlich daher, daß der Hund im peripheren Sehen genau wahrzunehmen
vermag, wo sich der Herr im Augenblick befindet. Die meisten Tiere, die überhaupt beidäugig fixieren können, wie Fische, Reptilien,
Vögel und Säuger, tun dies stets nur für kurze Zeit |93| und in Augenblicken höchster, zielgerichteter Spannung: Entweder sie
fürchten
sich vor dem fixierten Objekt, oder sie haben
etwas mit ihm vor –
und dann meistens nichts Gutes. Beim Tier ist Fixieren beinahe gleichbedeutend mit Zielen. Dementsprechend empfinden die Tiere
untereinander ein direktes Fixieren als ausgesprochen feindselig, ja bedrohlich. Hieraus ergeben sich für den Verkehr mit
Tieren bestimmte Gebote der Höflichkeit und des Taktes: Wer das Vertrauen einer schüchternen Katze oder eines ängstlichen
jungen Hundes gewinnen will, mache sich zur Regel, das Tier niemals scharf anzustarren, sondern das Auge nur kurz und wie
zufällig auf ihm ruhen zu lassen.
Alle echten Affen haben nun die gleiche Physiologie des Auges wie der Mensch. Da Affen sehr neugierig sind und im Verkehr
mit andersartigen Lebewesen der Höflichkeit und des Taktes vollkommen entbehren, fallen sie anderen Säugern, vor allem Hunden
und Katzen, stark auf die Nerven. Die Art und Weise, in der unsere vertrautesten Haustiere auf Affen reagieren, widerspiegelt
gut ihre Einstellung zum Menschen. Sanfte, gegen den Menschen unterwürfige Hunde lassen sich stets auch von winzigen Affen
fürchterlich tyrannisieren. So war es niemals notwendig, meinen kleinen Kapuzineraffen vor den scharfen großen Hunden zu schützen.
Im Gegenteil: Ich mußte bei Auseinandersetzungen oft zugunsten des Hundes eingreifen. Bully wurde von meinem Weißkopfkapuziner
Emil zwar geliebt, aber auch als Reittier und willkommene Wärmequelle benützt. Sowie er sich jedoch gegen den Willen seines
kleinen Freundes auflehnte, setzte es Maulschellen und Bisse. Solange ihn Emil als Wärmekissen brauchte, durfte sich Bully
von seinem Ruheplatz auf meinem Sofa nicht erheben. Bei der Fütterung des Hundes mußte der Affe entfernt werden, da er ihn
sonst in ekelhaftem Futterneid gestört hätte, obwohl es dem Affen nicht eingefallen wäre, selber von der groben Hausmannskost
des Hundes zu fressen. Die Hunde ihrerseits verhalten sich den Affen gegenüber wie gegen eigensinnige und boshafte Kinder,
die bekanntlich von einem anständigen Hund auch dann |94| niemals gebissen oder ernstlich angeknurrt werden, wenn sie es, genau besehen, tatsächlich verdienten.
Anders die Katzen. Sie lassen sich ja auch von menschlichen Kindern nicht alles gefallen, obgleich sie da zuweilen erstaunlich
duldsam sind. Thomas zögerte durchaus nicht, knurrend und spuckend dem kleinen Emil ein paar kräftige Ohrfeigen zu versetzen,
wenn er ihn am Schwanze zog. Auch meinen anderen Katzen gelang es stets, sich gegen Affen zu behaupten. Nach meinen Beobachtungen
scheint es, als sei ihnen dies dadurch erleichtert, daß die Affen eine gewisse angeborene Scheu vor katzenartigen Raubtieren
haben. Meine beiden Pinseläffchen, die in Gefangenschaft geboren worden waren und sicher niemals üble Erfahrungen mit katzenartigen
Raubtieren gemacht hatten, fürchteten sich panisch vor einem ausgestopften Tiger im zoologischen Institut und waren auch unseren
Hauskatzen gegenüber immer ängstlich und vorsichtig. Auch die Kapuziner näherten sich den Katzen nicht so unbedenklich wie
den Hunden.
Sentimentale Vermenschlichungen sind mir zuwider. Es wird mir übel, finde ich in einem Tierschutzmagazin ein Bild ›Gute Freunde‹
oder ähnlich unterschrieben, auf dem eine Katze, ein Dackel und ein Rotkehlchen dargestellt sind, die gemeinsam aus einer
Schüssel fressen. Wirkliche Freundschaft kenne ich eigentlich nur zwischen Mensch und Tier, kaum aber zwischen artverschiedenen
Tieren. Deshalb nannte ich dieses Kapitel ›Burgfriede‹ und nicht ›Tierfreundschaften‹. Gegenseitige Duldung bedeutet noch
lange nicht Freundschaft, und selbst wenn Tiere in irgendeinem gemeinsamen Interesse, etwa im Spiel, zusammenfinden, ist damit
nicht ausgemacht, daß ein wirklicher sozialer Kontakt, geschweige eine Freundschaft, besteht. Mein Rabe Roa, der kilometerweit
flog, um mich auf einer Sandbank an der Donau aufzusuchen, meine Graugans Martina, die mich um so nachhaltiger und freudiger
begrüßte, je länger ich von daheim fort war, meine Wildgänseriche Peterl
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