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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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Auf
     den übrigen drei Beinen konnte sie immer noch rascher laufen und klettern als die Katze, selbst wenn Maxi von ihr auf frischer
     Tat ertappt wurde. Die wilde Jagd ging dann meist auf einen Baum und endete damit, daß der Halbaffe sich hoch oben im dünnsten
     Gezweige, wohin die Katze nicht gelangen konnte, häuslich niederließ und eine wahre Orgie der Kinderpflege feierte. Vor allem
     schien es Maxi auf die instinktmäßig angeborene Bewegung |91| der Reinigung anzukommen: Sie kämmte dem Kätzchen, das sich dieses Verfahren gern gefallen ließ, das Fellchen sorgfältig durch
     und wendete besondere Mühe an die Reinigung jener Partien, die bei allen Säuglingen einer solchen am dringendsten bedürfen.
     Wir trachteten natürlich, dem Halbaffen das Kätzchen möglichst bald wieder abzunehmen, da wir befürchteten, es könnte ihm
     doch einmal entfallen, was hingegen nie geschehen ist.
    Schwer zu beantworten war mir die Frage, woran eigentlich das Makiweibchen die Kätzchen als junge Tiere erkannte. An der Größe
     lag es nicht, denn Maxi zeigte nicht das geringste Interesse für erwachsene Kleinsäuger von ungefähr ähnlichen Dimensionen.
     Als aber später meine Hündin Tito Kinder hatte, zeigte sich die gute Tante von den jungen Hunden genau so entzückt wie vorher
     von den kleinen Katzen, und zwar auch dann noch, als die Welpen schon größer waren als sie selbst. Obgleich widerwillig, ließ
     es Tito auf meinen strengen Befehl geschehen, daß die Makifrau ihre gestauten Brutpflegetriebe an den Welpen abreagierte.
     Damit nicht genug; als nämlich mein ältestes Kind geboren wurde, betrachtete Maxi auch dieses als hochwillkommenes Pflegeobjekt
     und saß stundenlang bei dem kleinen Buben im Kinderwagen – für Uneingeweihte ein geradezu unheimliches Bild, denn der Kopf
     mit dem schwarzen Gesicht und den abstehenden Menschenohren, der spitzen Raubtiernase, den leicht vorstehenden Eckzähnen und
     vor allem den übergroßen, bernsteingelben Nachtaugen, deren Pupillen am Tage stechend scharf zusammengezogen sind, hat etwas
     ausgesprochen Beängstigendes. Das mochten schon die alten Zoologen empfunden haben, als sie diese Tiergruppe mit dem Namen
     der gespenstischen Lemuren bezeichneten. Man muß sich in die eigenartige Physiognomie des Halbaffen einigermaßen »eingesehen«
     haben, um zu empfinden, wie reizvoll und herzig das Tier ist. Das Kind aber konnte man der Pflege des Halbaffen ebenso unbedenklich
     anvertrauen wie der meiner Tante. Leider führte die Liebe Maxis zu einem tragischen Konflikt: Sie wurde nämlich aus Eifersucht
     auf die |92| das Kind betreuenden Frauen so bösartig, daß wir sie schließlich nicht mehr frei laufen lassen konnten.
    Völlig anders war das Verhältnis der Hunde zu echten Affen. Um es zu verstehen, mag ein kleiner Exkurs erlaubt sein. Der Glaube
     von der eigenartigen Macht des menschlichen Blickes ist weit verbreitet. Mowgli im Dschungelbuche Kiplings wird von den Wölfen
     ausgestoßen, weil sie seinen Blick nicht ertragen können, und selbst sein bester Freund, der schwarze Panther Bagheera, vermag
     nicht, ihm gerade in die Augen zu schauen. Wie an jedem Volksglauben, ist auch an diesem ein Quentchen Wahrheit. Obwohl Paul
     Eipper sein sonst sehr schönes Tierbuch ›Tiere sehen dich an‹ betitelt, charakterisiert es Säugetiere und Vögel, daß sie einander,
     und auch den befreundeten Menschen, meist
nicht
direkt ansehen, ihn nicht fixieren. Nahezu kein Tier besitzt jene Spezialisierung der Netzhaut, die dem Menschen ein scharfes
     Bildersehen gewährleistet. Bei ihm ist die Zentralgrube der Netzhaut auf Scharfsehen spezialisiert, und da die äußeren Teile
     der Retina ein bedeutend schlechteres Bild geben, wandern unsere Augen fast ununterbrochen von einem Punkt zum anderen, stellen
     einen nach dem anderen auf der Fovea centralis scharf ein. Es ist eine Illusion, daß wir das gesamte Bild gleichzeitig als
     scharfes Bild überblicken. Bei den meisten Tieren geht jedoch diese Arbeitsteilung zwischen Zentrum und Peripherie der Netzhaut
     weniger weit als beim Menschen, das heißt, sie sehen mit dem Zentrum weniger scharf und gut, mit der Peripherie aber besser
     als der Mensch. Deshalb
fixieren
die Tiere auch seltener und weniger lange. Man gehe mit einem Hunde, der einen in lockerem Kontakt begleitet, feldein und
     beobachte, wie oft er einen direkt ansieht. Man wird erfahren, daß dies in Stunden kaum ein- oder zweimal vorkommt, es sieht
     aus, als gehe

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