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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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gänzlich geleert hatte; Dennie war fort, Parkman auch, und auf dem Tisch lag nur noch ein Schriftstück.
    »Denken Sie dran, was er uns im U-Boot anvertraut hat«, flüsterte Henker. »Er hat ein, zwei Tricks in Reserve.«
    »Zwei wären mir lieber«, sagte Wengernook.
    »Am besten einen legalen und einen illegalen Trick«, sagte Randstable.
    »Hohes Gericht«, leitete Bonenfant sein Plädoyer ein, »ich halte dafür, daß trotz aller schnörkelreichen Elegien meines geschätzten Kollegen die Frage, über die Sie entscheiden müssen, eine ganz einfache Sache ist. Hatten diese sechs Männer die Absicht, einen Krieg anzuzetteln, oder hatten sie vor, den Frieden zu bewahren? Ihr Ziel war, wie wir ersehen haben, der Friede. Während des gesamten, ausgedehnten Kreuzverhörs ist keine Tatsache deutlicher geworden. Wir können unmöglich außer acht lassen, daß meine Mandanten nicht darum gebeten haben, Nuklearwaffen zur Verfügung gestellt zu erhalten. Sie wollten gar nicht in einer Welt voller so furchtbarer Waffen leben. Aber sie mußten in dieser Welt, mußten mit der Bedrohung der Freiheit durch den russischen Kommunismus leben. Ich frage Sie, Hohes Gericht, hätte jemand von Ihnen sich in der Situation der Angeklagten anders als sie benommen? Wir alle wissen, daß es nicht gelungen ist, den Frieden zu bewahren. Im Verlauf des Prozesses ist der Mechanismus der Friedensbewahrung – die Politik der Abschreckung durch ein strategisches Gleichgewicht – als selbstzerstörerisch diffamiert worden. Beim Kreuzverhör meines Mandanten Robert Wengernook hat der Oberstaatsanwalt sich sogar dazu hinreißen lassen, die Anschuldigung zu äußern, meine Klienten hätten eine so übertriebene Abschreckungspolitik verfolgt, daß Rußland regelrecht zum selbstmörderischen Akt eines Erstschlags mit Zweitschlagswaffen genötigt worden sei. Erlauben Sie mir, das als ein höchst unwahrscheinliches Szenario abzutun. Es ist verrückt, reine Phantasterei, eine Hirnverbranntheit… Und es hat sich in Wirklichkeit auch nicht so ereignet. Das kann von mir bewiesen werden.«
    Ein Keuchen hallte wie tausend eisige Böen durch den Gerichtssaal. Die Mount-Christchurch- Berichterstatter lehnten sich am Pressetisch über die Brüstung.
    »An diesem Zeitpunkt des Verfahrens wäre es sehr ungewöhnlich, noch jemanden in den Zeugenstand zu schicken. Trotzdem ist es genau das, Hohes Gericht, was ich vorschlage. Denn es gibt in diesem Fall einen siebten Angeklagten, einen Angeklagten, der statt meiner Mandanten hätte vor Gericht gestellt werden müssen.«
    Das Keuchen ging über in das vielstimmige Raunen eines Was? in fünfzig Sprachen.
    »Gerichtsverhandlungen gegen Tiere blicken auf eine lange Geschichte zurück. Platons Gesetze enthalten die Weisung, daß im Falle ›ein Zugvieh oder sonst ein Tier jemanden tötet‹, ›die Anverwandten das Tier, das getötet hat, wegen Mordes verfolgen‹ sollen. Im Zweiten Buch Mose steht: ›Wenn ein Rind einen Mann oder eine Frau so stößt, daß sie sterben, dann soll das Rind gesteinigt werden!‹ Aber bis auf den heutigen Tag hat kein Staatsanwalt das Tier angeklagt, das meine Mitarbeiter dem Hohen Gericht nun präsentieren werden.«
    Ein lautes, schrilles Skriii durchtönte den Gerichtssaal, das durchdringende Kreischen von Rädern, die sich um Achsen drehten. Dennie und Parkman boten ihre vollen, jugendlichen Annulliertenkräfte auf, um einen großen Holzkarren vorwärtszurollen.
    Auf dem Karren stand ein Eisenkäfig.
    In dem Käfig saß ein riesiger Geier.
    »Am ersten Tag des Krieges habe ich eine Geierjagd unternommen«, erläuterte Bonenfant, »und diese Kreatur von Neuschottland nach Massachusetts verfolgt. Unweit des Heimatorts meines Mandanten George Paxton habe ich sie gefangen und mich danach mit ihr an Bord des U-Boots Donald Duck begeben, vormals New York City.«
    Aquinas schäumte wie ein vergessener Topf Milch auf heißem Herd. »Hohes Gericht, wir befinden uns in einem Gerichtssaal und nicht im Zoo! Egal welche Relevanz Mister Bonenfants feistem Vogelvieh beizumessen sein soll – ich sehe keine –, es wird viel zu spät präsentiert, als daß es noch zur Verhandlung zugelassen werden dürfte!«
    »Ich bitte das Hohe Gericht um Nachsicht«, sagte Bonenfant, nahm behutsam das einzige Schriftstück, das noch auf dem lisch der Verteidigung lag, und händigte es Dennie aus. »Vor zwei Tagen hat meine engste Mitarbeiterin sich auf eine mühevolle Wanderung den Gletscher hinauf gemacht. Sie hat

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