So muss die Welt enden
gehakt hatte: der Generalmajor hielt es jetzt fest in der Rechten.
»Kapitän Sverre, falls Sie meinem Befehl den Gehorsam verweigern, greife ich auf die Option zurück, diese Mini-Rakete abzuschießen und dadurch einen Ein-Killtonnen- Nuklearsprengkopf im Viertelmeter-Abstand von Ihrem Körper in der Luft zu zünden.« Henker richtete die Waffe auf Sverres Magengrube. »Hiermit befehle ich die Einstellung von Projekt Zitrusfrucht. Ferner befehle ich Ihnen, Ihrem Feuerleitcomputer folgende, auf feindlichem Territorium gelegenen strategischen Ziele einzuspeisen.« Er löste von einem Halskettchen einen kleinen Schlüssel und steckte ihn in die Startvorrichtung. »Die Interkontinentalraketen-Stellungen bei Nowosibirsk, die Interkontinentalraketen-Stellungen bei Kirensk, das Hauptquartier der Strategischen Raketentruppe bei Charkow, die Sprengkopffabrik bei Minsk, die Befehlszentrale bei Gorki, das Ausweichs…«
»Wir sind immer bei Ihnen gewesen«, unterbrach ihn Sverre, indem er breiter lächelte, seine Augen von Glut zu pochen schienen wie bei dem Geier, den George überm Zielgebiet gesehen hatte, »und haben auf Einlaß gewartet.«
»Ich habe keine Ahnung, welche Schule Sie besucht haben, Kapitän«, sagte Henker, »aber an der Luftwaffen-Akademie hat man uns gelehrt, daß siegen besser als verlieren ist.«
»O jemineh«, sagte Randstable, während er seine Schachfiguren aufstellte. »O Gott.«
Sverre senkte eine knochige, wettergebräunte Hand auf Georges Schulter. »Ich glaube, wir überlassen die maßgebliche strategische Entscheidung hier unserem Mister Paxton. Sagen Sie, Sie sind dafür, George, und ich feuere sämtliche sechsunddreißig MultiAttack-Raketen mit scharfen Sprengköpfen auf den Gegner ab. Das wäre ein Einhundertvierundvierzig-Megatonnen-Vergeltungsschlag.«
»Ich soll das entscheiden?« fragte George.
»Ja«, bestätigte ihm Sverre.
»Ich?«
»Genau.«
»Warum ich?«
»Weil ich neugierig darauf bin, was passiert.«
George erachtete es als unangebracht, daß das Schicksal Rußlands in seinen Händen liegen sollte.
»Ich bin wirklich ungeeignet«, sagte er, »um derartige Beschlüsse zu fassen.«
»Sie haben schon ebensoviel Atomkrieg wie wir hinter uns«, ermunterte ihn Sverre.
In seiner Phantasie sah George einen kilometerhohen Grabstein vor sich: Modell Nr. 1067 in Vermonter Taubenblaugrau. Dem Granit stand eine Million Namen eingekerbt. Duluth. Dodge City. San Franzisko. Philadelphia. Chrysler-Werke. CBS. Xerox AG. Das Super-Bowl-Großstadion. Alles futsch.
Wie hatte Sverre sich ausgedrückt? Vergeltungsschlag? Ein vernünftiges, gerechtes Vorgehen. Sie haben uns plattgemacht. Wir müssen mit ihnen das gleiche machen.
Trotzdem…
»Verraten Sie mir, ob ich Sie richtig verstanden habe, Henker«, wandte George sich an den Generalmajor. »Sie möchten Rußland wegputzen, oder?«
»Ich will die russischen Reserve-Interkontinentalraketen vernichten und verhüten, daß sie bei späteren Folgeangriffen eingesetzt werden«, erläuterte Henker.
»Wieso?« fragte George.
»Wie bitte?«
»Ich habe gefragt: Wieso?«
»Aus Gründen der nationalen Verteidigung, deshalb.«
»Ja, ja, das kann ich verstehen«, sagte George. »Klar, Henker. Aber wenn wir eine nationale Verteidigung praktizieren wollen, brauchen wir dann nicht auch… äh… Na, Sie wissen schon.«
»Was denn?« fragte Henker.
»Eine Nation.«
»Das ist eine unentbehrliche Voraussetzung«, pflichtete ihm Randstable bei, dessen linke Hirnhälfte sich darauf vorbereitete, mit der rechten Schach zu spielen. »Bitte tun Sie das Ding da weg, ehe Sie uns alle umbringen.«
»Wenn wir die Reserven der Russen nicht zerschlagen«, behauptete Henker hartnäckig, »setzen sie sie ein, um unsere Überlebenden auszumerzen.«
»Wie bedauerlich es auch sein mag, ich glaube, wir können uns nicht der Einsicht verschließen, daß der HOPPEL-Plan nicht mehr unsere operative Strategie sein kann«, sagte Randstable, während er ausdruckslos aufs Schachbrett starrte. »Ich bin sogar der Meinung, daß auch SPATZ für uns keine Gültigkeit mehr hat. Wir sind jetzt in einer völlig andersgearteten Interessensituation und Motivationslage.« Plötzlich kehrte er sich Sverre zu, seine gespreizten Finger bildeten wiederholt Klauen. »Aber weshalb betreiben dann wir diese Antarktis-Aktion?«
»Gegenwärtig ist es Ihre Aufgabe«, antwortete der Kapitän, »gemeinsam mit Dr. Valcourt an der Überwindung Ihres Überlebenstraumas zu
Weitere Kostenlose Bücher