Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
arbeiten.«
    Henker schwitzte und zitterte, als hätte ihn hohes Fieber gepackt. »Ihnen geht’s um ein Motiv, William? Ich habe ein Motiv. Rache ist vielleicht kein schönes Wort, aber sie ist das, was von uns erwartet wird.«
    »Ach ja, genau«, entgegnete Sverre. »Wir schulden es den vielen Millionen Toten, für noch mehr Millionen Tote zu sorgen. Sie sollten sich besser überlegen, wie Sie das strategische Denken umschreiben, Generalmajor, sonst verdienen Sie sich in diesem Krieg keinen einzigen Orden. Mister Paxton, ich muß nun eine Antwort von Ihnen haben.«
    Xerox AG. Das Großstadion. Tschibo-Kaffee. Ritter Sport. Tante Isabella. Vetter Willi. Nicki Frostig. Justine Paxton. Holly Paxton.
    Rache. George erwog das Wort in allen seinen Aspekten. Offenbar legte Henker darauf großen Wert. Aber die strategische Entscheidung, dachte George, liegt bei mir, nur mir. Unten auf dem kilometerhohen Grabstein sah er eine Inschrift: EIN EINHUNDERT-VIERUNDVIERZIG-MEGATONNEN-VERGEL-TUNGSSCHLAG MACHT UNS NICHT WIEDER LEBENDIG lautete sie.
    Damit hatte er zu seinem Entschluß gefunden.
    »Ich glaube, es wäre mir angenehm, bald zum Frühstück frischgepreßten Orangensaft haben zu können«, sagte George. »Beugt gegen Skorbut vor, hab ich gehört.«
    »Eine schäbige Entscheidung, Paxton«, zeterte Henker. »Wirklich niederträchtig.«
    »Tut mir leid«, sagte George leise.
    Von der Stirn des Generalmajors troffen laue Schweißtröpfchen. »Zehn Sekunden, Kapitän. Soviel Frist bleibt Ihnen, dann schleudert David seinen Kieselstein. Neun… acht… sieben…«
    »Er blufft«, sagte Randstable, der noch immer keinen Eröffnungszug gemacht hatte. »Ich wette hundert zu eins, daß er sich nicht traut.«
    Sverre nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz und setzte die Arbeit an Thors Saga fort. Henker visierte ihn neu an.
    »Sechs… fünf… vier…«
    »Ich glaube«, äußerte Randstable, »ich habe gar keins.«
    »Was keins?« fragte Sverre.
    »Drei…«
    »Kein Überlebenstrauma«, sagte Randstable.
    »Zwei…«
    »Das läßt sich ändern«, versicherte Sverre.
    Dem HOPPEL-Häschen entpreßte sich ein unheimlicher Laut. Unwillkürlich mußte George an das schaurige Keckern denken, das man auf der Wildgrover Herbstkirmes immer aus der Geisterbahn zu hören bekommen hatte. Henkers Finger erlahmten, seine Fäuste lockerten sich, die kleine Atomrakete klapperte auf den Fußboden. Wie sie so auf dem Teppich lag, ähnelte sie mehr denn je einem Spielzeug.
    »So einen Knaller habe ich noch nie gesehen«, sagte Sverre, deutete mit dem Federhalter auf Henkers Geschoß.
    HOPPEL-Häschen sank aufs Sofa, schüttete sich einigen Gin die Gurgel hinab und fing, während er hyperventilatorisch atmete, mit hohem Winseln sein untergegangenes Heimatland zu beweinen an.
    Sverre verließ den Schreibtisch, hob das Geschoß auf. »Was für ’ne Lenkung?«
    »Inertialsystem-Kreiselsteuerung«, antwortete Randstable. »Modernisiert durch Terrainfolgeradar.«
    »Antrieb?«
    »Luftatmendes F-Zweihundertachtzehn-Turbo-Triebwerk.«
    »Startgewicht?«
    »Neun Pfund.«
    Später am Tag, nachdem die drei Erebus-Evakuierten fort waren, befahl Sverre seine Offiziere und Mannschaften auf Gefechtsposten. Man flutete die Abschußrohre, paßte sie den Druckwerten des Ozeans an. Man öffnete die Abschußluken. Die Zündung eines kleinen Treibsatzes im Heck jeder MultiAttack-Rakete erfolgte, brachte das Wasser in den Rohren zum Kochen. Dampf ballte sich, schleuderte die Raketen an die Oberfläche empor, wo automatisch die Haupttreibsätze zündeten. Die erste Stufe löste sich ab. Innerhalb von fünfzehn Minuten verteilten die Sprengkopfbehälter ihre harmlos gewordenen Nutzlasten zwischen den Key-Inseln südlich Floridas und der vom Erdboden verschwundenen Stadt New Orleans über den Golf von Mexiko.
    *
    Wie alle Fernraketen-U-Boote der Philadelphia-Klasse hatte auch die Donald Duck, vormals SSBN 713 New York City, auf den untersten Decks ein Labyrinth vergessener Gänge und unbeschrifteter Korridore. Beim Verlassen der Kapitänskajüte merkte George, daß er für Henker vorerst gestorben war und er sich voraussichtlich von ihm kein freundliches Wort mehr zu erhoffen brauchte – er sah es dem Generalmajor an der feindseligen Miene und der arroganten Haltung an –, also verdrückte er sich allzu schleunig, und im Handumdrehen verschlug es ihn dorthin, wo auf einem U-Boot das Pendant eines Hinterhofs sein mochte. Wie Leuchtspinnen pendelten kahle Glühbirnen

Weitere Kostenlose Bücher