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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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George wissen wollen. »Zeugungsfähig?« hatte der Bordarzt wiederholt. »Noch lange nicht. Derartig schwache Spermatiden haben keine Zukunft. Mann, Paxton, haben Sie denn wirklich noch nichts von der Ausrottung der Menschheit gehört? Die Welt hat keinen Bedarf mehr an menschlichen Chromosomen.«
    Eine Hinweistafel holperte vorbei: SÜDPOL-GEHENNA 414 5 KM. »Wartet nur, meine kleinen Freunde«, raunte George in den Bart, hinunter zu seinen Spermatiden. »Irgendwie bring ich euch an den Endpunkt der Erdachse.« Er wandte sich vom Fenster ab. Verkniffenen Blicks bewachte ihn eine junge Frau mit einem Remington-Gewehr Kaliber 12. Auf ihrem Namensschild stand GILA GUIZOT, und ihre ARES-Montur – »So ein Kleidungsstück ist hervorragend geeignet, um sich vor Kälte zu schützen«, hatte Sverre einmal im U-Boot geäußert – trug das Blutende-Hand-Emblem des Antarktischen Gardekorps. Bei ihrer ersten Begegnung hatte Gila Guizot als erstes George in seine wiederbelebten Keimdrüsen getreten.
    Die Übergabe der Person Georges aus dem Gewahrsam der Kriegsmarine der Vereinigten Staaten an das Internationale Militär- und Ziviltribunal war in einer der zahlreichen Wellblechhütten der Station McMurdo erfolgt, einer morbiden, von Waltranlampen erhellten, durch Angehörige des Antarktischen Gardekorps bewachten Behausung. George saß auf einem Holzstuhl. Seine ihm kürzlich ausgehändigte ARES-Montur hatte viele Löcher, so daß ihm jedesmal, sobald jemand die Tür öffnete, sadistische Dolchstöße antarktischer Eiseskälte seine Haut stachen. Jede halbe Stunde kam ein Vertreter einer Annullierten-Fraktion in die Blechhütte und nahm hinter einem zu Schreibtischform zurechtgesägten Eisblock Platz. Sekretäre notierten Georges Aussagen. Name? Geburtsort? Religion? Mitgliedschaft in politischen Parteien und/oder Organisationen? Waren die Restaurants in New Orleans so gut, wie ich sie im Gedächtnis habe? Ist Kalifornien überwiegend warm und sonnig gewesen? König Lear war doch ein wirklich sehenswertes Theaterstück, oder nicht? Wenn meine Erinnerung nicht trügt, war Bach ein Genie, könnten Sie mir eine Melodie Bachs vorsummen, Mister Paxton? Ich glaube, Bach hätte mich zu Tränen gerührt.
    Seine Verbündete während dieser Befragungen war Dennie Howe, eine zum Heulen gutaussehende, junge Schwarzblütige mit scharfen, türkisgrünen Augen und einem doppelstöckigen Lächeln. Als George die Blechhütte betreten hatte, stellte sie sich als Bonenfants Hauptmitarbeiterin vor und erklärte, sie werde ihre durch mehrere Diplome anerkannte Fachkundigkeit hinsichtlich des internationalen Rechts benutzen, um seine Befrager in Schach zu halten. Diese Frage braucht mein Mandant nicht zu beantworten. Mein Mandant ist nicht verpflichtet, den Auslieferungsantrag zwecks Bestätigung der Kenntnisnahme abzuzeichnen. Mein Mandant hat ein Anrecht auf…
    Kaffee, dachte George, als der Konvoi Südpol-Gehenna 414 erreichte. Momentan gäbe ich alles für eine Tasse Kaffee. Die Eisbär-Raupenfahrzeuge rumpelten durch die Hauptstraße der Gemeinde. Auf den Gehwegen patrouillierten Polizeibeamte, sorgten dafür, daß die Demonstranten von der Fahrbahn fortblieben. Buh-Rufe und Gezischel tönten in den Wagen, verursachten George Beschwerden in der Schußwunde, hatten zur Folge, daß seine Spermatiden sich krümmten. Die Schilder und Transparente, die er vorbeihuschen sah, hatte man mit schwarzem Blut beschriftet: NIEDER MIT DEN KRIEGSVERBRECHERN – TILGT DIE VERTILGER DES MENSCHENGESCHLECHTS AUS -WENGERNOOK = HITLERS SOHN – RANDSTABLE AN DEN GALGEN – LASST UNS EIN. George bemerkte auch ein paar abweichende Meinungen: FREIHEIT FÜR DAS HARMAGEDDON-SEXTETT – KEIN FEMEGERICHT – AUCH SIE DÜRFEN SICH RECHTFERTIGEN – PAXTON WURDE REINGELEGT. Er verspürte einen peinlichen Nervenkitzel, als hätte die Wildgrover Abendpost von ihm einen Leserbrief abgedruckt, in dem er gegen die Umwandlung des Friedhofs Rosehaven in einen Golfplatz protestierte.
    Sein Blick schweifte über die Gehwege hinaus. Viele Schwarzblütige erachteten ihre Zeit als zu kostbar, um sie mit Aktivismus zu vergeuden. Im Seitenhof von Wohnanlage F warfen eine Mutter und ihre Tochter sich abwechselnd einen aus Schnee gepreßten Korbball zu. Nebenan stand ein älterer Mann mit krausen, weißen Koteletten auf einem Berg Eis und tat so, als dirigierte er ein Orchester, während hinter Wohnanlage W ein Halbwüchsiger versuchte, einer Weddellrobbe beizubringen, durch einen

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