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So nah am Leben

So nah am Leben

Titel: So nah am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inaqiawa
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Hausnummer 1!
    Im nächsten Augenblick fällt ihr auf, daß eines der Gebäude ganz verhüllt ist und sie ahnt: das Hotel wird renoviert! Enttäuschung macht sich in ihr breit. Hinterher wird es nicht mehr dasselbe sein, und das Feeling sicher auch nicht. Für einen kurzen Moment spürt sie eine Traurigkeit in sich aufsteigen und gibt dieser kurz nach. Dann entsinnt sie sich, daß sie die Geschehnisse aus der Hand gegeben hatte und sich den Gegebenheiten fügen wollte. Das Leben hat für sie entschieden: Dieses Hotel soll es eben nicht sein.

    Mit dem Aufkommen der Traurigkeit hatte sie die Tür zum Glück verschlossen. Sie erinnert sich wieder an ihr Glücksgefühl und an die Erkenntnis, daß sie es ist, die darüber entscheidet, wie es ihr geht. Traurigkeit, Glücklichsein — die ganze Gefühlspalette entspringt ihrer inneren Entscheidung — und ihr wird augenblicklich klar, wie groß die Macht ist, die sie über ihr eigenes Leben hat. Für was wird sie sich jetzt entscheiden?
    Erst einmal sucht sie sich eine Bleibe. Sie will den Rucksack loswerden.
    Nach ein paar Versuchen hat sie ein kleines Hotel gefunden. Das Zimmer ist spärlich und die Dusche auf dem Flur — „gleich-gültig“.

    Frisch geduscht liegt sie auf dem Bett, und noch ehe sie viel nachdenken kann, ist sie schon wieder eingeschlafen. Als sie aufwacht, fühlt sie sich frisch und sehr abenteuerlustig. Sie möchte Pamplona erkunden und macht sich auf den Weg. Die kleinen engen Gassen der Stadt sind nicht sehr belebt, die Geschäfte haben geschlossen — es ist später Mittag, die beste Zeit, um in Ruhe die Parkanlagen zu genießen. Das Geräusch der Wasserfontänen begleitet sie ein Stückchen, dann hat sie den Park durchquert und kommt in eine nette kleine Wohnsiedlung. Die Häuser sehen freundlich aus, die Gärten sind bunt und überall blüht die Bougainvillea.

    Nachdem sie ihre Wanderschuhe ausgezogen hat, läuft sie jetzt in Flipflops durch die Stadt. Das fühlt sich sommerlich und leicht an. Und obwohl sie noch die Anstrengung des gestrigen Tages in ihrer Muskulatur spürt und einen etwas ungalanten Gang hat, stromert sie durch die Straßen und genießt es, unterwegs zu sein.
    Nach mehr als zwei Stunden kehrt sie zurück zum Plaza Castillo und sucht sich ein Restaurant. Hier in der Sonne macht sie es sich bequem. Der Kellner bringt einen Kaffee und etwas zu essen. Auf dem Plaza erwacht langsam wieder das Leben. Sie sitzt einfach nur da und schaut. Sie kann es noch gar nicht wirklich fassen — sie ist auf dem Camino de Santiago. Sie kennt keine Menschenseele, hat den ganzen Tag noch nicht viel geredet, ist nur gelaufen, und alles ist in bester Ordnung.

    Am Nachbartisch sitzt eine Frau, die sie als Pilgerin erkennen kann. Vor ihr auf dem Tisch liegt der gleiche Wanderführer, wie auch sie einen mit sich herumträgt. Sie sieht zufrieden aus und schreibt voller Hingabe Karten. Als sie aufschaut, treffen sich ihre Blicke. Sie scheint ein bißchen älter als Samantha zu sein. Ihr Gesicht verrät Lebenserfahrung. Sie lächelt Samantha freundlich zu, dann schreibt sie weiter. Samantha trägt ihre Jakobsmuschel an einem Lederbändchen um den Hals, vielleicht hat die Frau sie daran gleichermaßen als Pilgerin erkannt.

    Nach einer kleinen Weile legt die Frau am Nachbartisch ihre Postkarten beiseite, und die beiden kommen ins Gespräch. Es ist Samanthas erster wirklicher Kontakt mit einer anderen Pilgerin. Sie heißt Maria und kommt aus München. Bergwandern ist ihr Hobby — auch zu Hause. Samantha beneidet sie für ihre Erfahrung im Umgang mit Schuhen und Rucksack. Und während ihres Gesprächs merkt Samantha ganz plötzlich, wie gut ihr Marias Gesellschaft tut. Nach drei Tagen mit sich allein schickt ihr das Leben einen ersten intensiven Kontakt.

Einsamkeit

    Einsamkeit
    ist die Rache an der Umgebung
    für nicht erfüllte Erwartungen.
    Einsamkeit ist Methode.

    Ausgeruht erwacht Samantha und genießt den strahlend blauen Himmel. Die Natur zeigt sich erwärmend und läßt Samanthas Hingabe zu ihrem Unternehmen wachsen. Ihr morgendliches Ritual von Gymnastik und sorgfältigem Rucksackpacken nimmt genau die Zeit in Anspruch, die sie benötigt, um sich auf den neuen Tag und das, was vor ihr liegt, einzustellen. Es ist ihr vierter Tag und die dritte von einunddreißig Etappen ihres langen Weges zu sich selbst.

    Der Reiseführer sagt eine steinige Etappe voraus. Sie ist gut gelaunt und wundert sich darüber, daß sie von ihrem Körper so wenig

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