So nah am Leben
war. Neben ihr wartet immer noch geduldig die Löwin. Samantha steigt wie selbstverständlich auf ihren Rücken und die Löwin bringt sie an den Ausgangspunkt zurück. Als Samantha absteigt, fällt sie und ihr Arm schlägt gegen einen harten Gegenstand. Der Schmerz bringt sie in die Wirklichkeit zurück.
Sie öffnet die Augen... ihr Arm ist gegen den Nachttisch gestoßen.
Sie reibt sich die schmerzende Stelle am Arm und schließt erneut ihre Augen. Sie würde so gern weiterträumen... Zu schön war das soeben erlebte Gefühl von liebevoller Energie und friedvollem Dasein, und so intensiv, daß Samantha im ersten Moment gar nicht begreifen kann, daß es nur ein Traum gewesen sein soll. Es hat sich alles so realistisch und so natürlich angefühlt. Einen Moment lang kann sie dieses unglaublich schöne Gefühl immer noch spüren, dann kehrt ihre Grobstofflichkeit mit allen Eigenschaften zurück. Die Augen noch immer geschlossen, versucht Samantha sich an die Worte der weißen Silhouette zu erinnern. Alles ist bereits geschehen, es muß sich nur noch manifestieren können, klingt es in ihr nach. Alle Erfahrungen liegen sozusagen für sie bereit, sie muß ihnen nur die Chance geben, in ihr Leben einzutreten.
Was für ein wunderbarer Gedanke!
Auch heute ist das Thema wieder zu ihr gekommen. Diese Tatsache läßt Samanthas Vertrauen in die Fügungen des Lebens wachsen. So oft hat sie schon den Gedanken gehegt, daß sie eigentlich nur richtig sehen und erkennen lernen müsse. Ein sehr schöner Anstoß, um noch einmal über TRÄUME nachzudenken und ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Das nächtliche Erlebnis und die damit verbundenen kraftspendenden Energien haben sie den ganzen Vormittag auf ihrem Weg begleitet. Sogar ihre Füße sind munter drauflos gelaufen. Sie hat die riesige Brücke über den Río Ojo überquert, der fast kein Wasser mehr führt. Die Anzahl der Bögen zeigt, daß er früher mal ein ausladend breiter Strom gewesen sein muß. Ein Einheimischer hat ihr erzählt, daß das Wasser bereits in den Bergen für die Stromgewinnung abgezweigt wird und der Fluß nun an dieser Stelle praktisch nicht mehr vorhanden ist. Das leere, bewachsene Flußbett sieht befremdlich und vereinsamt aus, während die Brücke etwas Groteskes hat. Nach zwei Stunden ist sie in Grañón angekommen und genießt die schöne gotische Kirche des heiligen Johannes des Täufers. Es tut ihr gut, in dem halbdunklen Steinbau zu sitzen und die Atmosphäre des Sakralen auf sich wirken zu lassen. Heute kommt ihr dieser Bau nicht zu protzig vor, obwohl der Hochaltar mit einer Vielzahl künstlerisch bedeutender Figuren ausgestattet ist. Heute spürt sie eher das Göttliche als das Menschliche an diesem Ort.
Als sie wieder aus der Kirche kommt, trifft sie die gleißende Sonne mitten in ihr Herz. Sie erinnert sie an die weiße Silhouette aus ihrem Traum. Alle Erfahrungen sind bereits gemacht. Was für eine Botschaft. Welche konkrete Verbindung gibt es zwischen ihrer alltäglichen Wirklichkeit und ihrer Traumwelt?
Sie erinnert sich an den Film, den sie vor ihrer Abreise mehrfach gesehen hat. Dort war von parallelen Universen die Rede. Dieser Gedanke ist ihr nicht fremd. Manchmal denkt sie, daß alle Menschen in ihren eigenen kleinen Universen leben. Manche Menschen lassen andere an ihrem eigenen Leben teilhaben und haben ein Stück weit am Leben anderer teil. Und wie ist es mit der Vergangenheit und der Zukunft? — Sind das nicht auch parallele Universen, die in die Gegenwart transponiert werden?
Sie stellt sich vor, daß Träume eine Botschaft aus einem parallelen Universum sind, in dem es irgend etwas gibt, das helfen soll, unser Leben zu meistern. Es sind Hinweise auf die aktuellen Fragen des Lebens, die deutlich machen, wie wir mit den momentanen Ereignissen in unserem Leben umgehen können. Trauminhalte auf eine reale Situation unseres Lebens zu übertragen, kann durch den veränderten Blickwinkel Verstrickungen lösen und zeigen, worum es eigentlich geht. Die Menschen sind sehr geschickt darin, die wirklichen Motive ihres Handelns zu verschleiern, bis sie sie selbst nicht mehr erkennen können. Träume können an diesen Stellen aufräumen. Samantha wüßte gern, wer oder was diese Botschaften sendet. Zu diesen Botschaften zählt sie auch die Tagträume und die sogenannten „plötzlichen Einfälle oder Gedanken“, die wir als „Intuition“ bezeichnen. Woher kommen diese Gedanken? Wer oder was hat Interesse daran, daß sie gerade
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