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So nah am Leben

So nah am Leben

Titel: So nah am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inaqiawa
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eigene Handeln nicht bezahlen zu müssen.

    Auf der anderen Seite ist es für Eltern, die ihre Kinder zu ihrer einzigen Lebensaufgabe gemacht haben, sehr schwer, die Leere zu ertragen, die durch die Entlassung ihrer Kinder in die Selbstständigkeit entstehen könnte. Und so ergeben sich häufig Symbiosen, die weder für die Weiterentwicklung der Eltern noch für die der Kinder förderlich ist. Die daraus entstehenden Dramen füllen die psychologischen Beratungspraxen.

    „Hey, wo bist du?“, hört sie eine Frauenstimme. Julia hat sie aus ihren Gedanken geholt. „Ich habe gerade über die vielschichtige Rollenverteilung von Kindern und Eltern nachgedacht“, antwortet Samantha.
    Die anderen aus der Gruppe sind bereits nach draußen gegangen. Samantha war so in ihre Gedanken vertieft, daß sie gar nicht bemerkt hat, daß die jungen Menschen die Küche bereits aufgeräumt haben. Jetzt sitzen nur noch Julia und Samantha am Küchentisch. Julia erzählt ihr aus ihrem Leben und von ihren Vorhaben in der Zukunft und fragt Samantha nach ihren Lebenserfahrungen. Es vergehen Stunden im Gespräch, und ein Faden der Sympathie entspinnt sich. Als sie sich schließlich voneinander verabschieden, bemerken sie, daß sie nicht allein waren. Eine andere Frau sitzt mit in der Küche und versorgt ihre wunden Zehen. Das sieht gar nicht gut aus. Als Samantha ihre Füße sieht, ist sie dankbar, daß sie keine wunden Stellen an ihren Füßen hat, auch wenn ihr innenliegender Dauerschmerz sie täglich beschäftigt.

    Ihr Name ist Tatjana, und sie kommt aus der Stadt, in der auch Samantha lange gelebt hat. Sie bedauert sehr, daß sie inzwischen zu müde ist, um noch eine gescheite Konversation zu beginnen. So stellen sie nur noch wie zufällig fest, daß sie beide morgen den Bus nach Sahagún nehmen wollen, und verabreden sich um acht Uhr vor dem Tor.

Veränderungen

    Veränderungen finden ausschließlich
    in unserem Innern statt.
    Das Ausmaß des vom Verstand
    erzeugten Widerstands und der erzeugten Angst
    entscheidet über den Umgang damit.

    Der Lärm aus der Küche ist abgeebbt. Die letzten Pilger haben ihre Sachen gepackt. Die Herberge ist wieder leer. Samantha steht vor dem Tor und wartet auf Tatjana. Die hat inzwischen herausgefunden, wo der Bus nach Sahagún abfährt.
    Sie kreuzen die Straße und einen kleinen Marktplatz und sehen erfreut, daß sich die Bushaltestelle genau vor einer Bar befindet. In der Bar können sie sogar die Fahrkarten kaufen und erfahren, daß der Bus um Punkt zwölf hier losfährt. Das sind noch ganze vier Stunden. Sie machen es sich vor dem Café in der Sonne bequem, die mild durch die Häuser hindurch scheint und ihre Gemüter erwärmt.

    Tatjana und sie sind sich noch fremd. Außer den wenigen sachlichen Informationen vom vergangenen Abend wissen sie nichts voneinander. Das ändert sich jedoch ziemlich schnell. Sie stellen fest, daß sie in einigen Lebensfragen sehr ähnliche Ansichten haben und sind innerhalb weniger Minuten in ein angeregtes Gespräch vertieft. Zentraler Punkt dieses Gespräches ist das Thema VERÄNDERUNGEN im Leben.

    Sie versuchen herauszufinden, was für sie Veränderungen sind und was den Umgang mit ihnen manchmal so schwer macht.
    Da wird etwas anders, als es vorher war.
    Es entsteht ein neuer Zustand, denken sie, aber ist das wirklich so? Was wird denn tatsächlich anders? Verändern sich die Situationen, die Dinge um sie herum, oder ist es etwas in ihnen, das sich da ändert? Samantha versucht dies an einem aktuellen Beispiel deutlicher zu sehen. Was hat sich verändert, seit sie unterwegs ist?

    Sie glaubt, ihre Töne sind etwas sanfter geworden, sie glaubt, sie ist insgesamt etwas leiser geworden. Der wochenlange Aufenthalt in der freien Natur hat ihr vor Augen geführt, daß sie Teil dieser Natur ist, ja, daß es im eigentlichen Sinne nicht einmal eine Trennung zwischen ihr und etwas anderem gibt. Dieser Weg ist sehr spirituell und erhöht ihre Sensibilität dafür.

    Ihr Gefühl für die Schönheit in der Einfachheit hat sich in großen Schritten weiterentwickelt. Die Auseinandersetzung mit den vielen Themen und die dazugehörigen Gedanken haben sie wieder differenzierter denken lassen. Die vielfältigen menschlichen Begegnungen haben ihr noch deutlicher gezeigt, daß sie offensichtlich alle miteinander verbunden sind.

    Auch wenn wir glauben, daß wir Menschen so unterschiedlich sind. Im Grunde unseres Herzens, unserer Seele, lassen sich ähnliche Bedürfnisse und

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