So nah am Leben
Kirche hinaus und schlägt den Weg zur Altstadt ein, ohne zu denken. Sie läßt die Worte der inneren Stimme in sich nachklingen.
Dann steht sie auf einmal vor einer anderen Kirche. Hier gibt es ein angrenzendes Kloster mit einem Konvent, der auch ein Hotel betreibt. Ohne nachzudenken, geht sie hinein und bucht ein Zimmer für die Nacht.
Sie bekommt ihren Zimmerschlüssel, und ein junges Mädchen begleitet sie durch die unglaublich langen, hohen und breiten Gänge des Klosters. Zum Innenhof hin gibt es einen Kreuzgang, so daß die Zimmer alle zur rechten Seite hin führen. An einigen Zimmertüren kann sie Namensschilder und andere Bezeichnungen lesen. Dies zeigt ihr, daß sie in einem noch aktiven Kloster Unterschlupf gesucht hat. Die hohen Gänge lassen ihre Schritte nachhallen. Augenblicklich fällt ihr der Film „Der Name der Rose“ ein.
Als sie endlich an ihrem Zimmer angekommen sind, bezweifelt sie, daß sie den Weg dorthin jemals allein finden wird. Sie horcht in sich hinein, und im stillen denkt sie, daß das Zimmer wahrscheinlich spartanisch eingerichtet sein wird, aber sie irrt sich. Sie findet ein fast luxuriöses Zimmer vor, und dennoch spürt sie die sakrale Stimmung, die ihr von den Wänden entgegenkommt. Sie ist zufrieden.
Wenngleich Samantha heute kein großes Laufpensum geleistet hat, meldet sich ihr Magen. Darüber ist sie sehr erfreut, denn als sie sieht, daß das Restaurant im Innenhof des Klosters seinen Platz gefunden hat und vom Kreuzgang umgeben ist, springt ihr Herz vor Freude. Auch hier besteht die Atmosphäre aus einer Mischung von sakral und gastfreundlich. Sie genießt alles in tiefen Zügen. Heute ist ein großer Tag. Das Leben hat ihr so viel Liebe, so viel Luxus und so viel wunderbare Atmosphäre geschenkt. Davon würde sie gern heute noch etwas weitergeben.
Als sie sich noch Gedanken darüber macht, wie sie das bewerkstelligt, klingelt ihr Telefon und Maria meldet sich. Auch sie ist heute in Villafranca. Allerdings geht es ihr nicht besonders gut. Ihre Füße machen Probleme. Sie ist in der Herberge und fragt, ob sie Lust hat, sie dort zu treffen.
Und ob Samantha Lust hat! In ihrer jetzigen Stimmung ist ihr Gesellschaft gerade recht.
Sie will teilen, sie will verströmen. Sie will all das, was ihr heute theoretisch und praktisch in Sachen Liebe begegnet ist, mit anderen Menschen gemeinsam genießen.
Hingabe
Die Bedeutung von Hingabe ist,
alle eigenen Muster zu leben und
sich ihnen ohne Widerstand hinzugeben.
Das gleiche gilt für
Ereignisse, Gedanken und Gefühle.
Die beiden letzten Tage waren so unglaublich schön. Die Gedanken und Erfahrungen haben sich in ihren Zellen festgesetzt und begleiten sie weiterhin. Samantha ist jetzt in der vierten Woche unterwegs, und die Spiritualität dieser Reise hat ein Ausmaß erreicht, das sie immer wieder ins Staunen bringt. Natürlich hatte sie sich vorgestellt, über die verschiedenen Themen nachzudenken, und natürlich hatte sie gehofft, Erfahrungen mit nach Hause zu nehmen, aber daß dies mit so vielen intensiven Gefühlen einhergehen würde, sprengt ihre damalige Vorstellungskraft. Samantha genießt zur Zeit jeden Augenblick, jeden einzelnen Moment und erlebt gleichermaßen, was es bedeutet, die Gegenwart bewußt wahrzunehmen.
Gerade jetzt in diesem Moment empfindet Samantha ihr Leben als so kostbar und einzigartig. Sie fühlt sich so privilegiert, diesen Weg und diese Erfahrungen machen zu dürfen. Ihr Herz ist weit geöffnet, und sie empfindet die Struktur ihres Zentrums als sehr, sehr durchlässig. Gefühle, die sie in ihrem Leben noch nie wirklich gespürt hat, machen sich breit. Dazu gehören Demut genauso wie Güte und Nachsicht.
Manchmal denkt sie, daß dies alles eine ganz andere Person wahrnimmt und gar nicht die, für die sie sich bislang immer gehalten hat. In ihr scheint noch viel mehr zu schlummern, als sie angenommen hat. All dieses schlummernde Potenzial bricht nun auf und kommt ans Tageslicht.
In diesen Tagen erlebt sie die Transformation von gedanklichen Theorien in erlebte Praxis, und es geht ihr so unendlich gut damit. Sie ist neugierig geworden, was sich ihr noch zeigen und welche Schätze sie noch in sich entdecken wird. Der intensive und unmittelbare Kontakt zur Natur weist sie immer wieder auf den Schöpfungsgedanken hin und bringt sie ganz nahe an das Göttliche in allem.
Es entsteht ein Hauch einer Ahnung in ihr, daß das Universum perfekt ist, daß wir alle auf unsere Art perfekt sind. Wenn
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