So nah am Leben
Frau schüttelt den Kopf, und so kauft Samantha etwas Schinken und Brot und fragt, ob sie sich draußen an einen der Tische setzen darf. Die alte Frau nickt.
Samantha breitet die Sachen auf einem der Tische aus und überlegt noch, was sie sich heute Nettes zum Trinken gönnen möchte, als die alte Dame mit drei Tellern und einer frisch gebackenen Tortilla aus dem Geschäft kommt. „Die habe ich gerade für meinen Mann und mich aus dem Ofen geholt. Die reicht auch für drei“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen und lädt Samantha zum Essen ein. Schinken und Brot bleiben auf dem Tisch, und so teilen sie, was da ist.
Samantha ist von dieser Geste tief berührt und dankt den fünfzig Touristen für deren Anwesenheit im Ort. Ohne sie hätte Samantha diese ganz besondere Begegnung nicht erlebt. Die Herzlichkeit und die Gastfreundschaft dieser beiden alten Menschen öffnen ihr Herz.
Sie erzählen Samantha von ihrem Leben hier im Ort, und sie erzählt ihnen von ihren Erlebnissen — so gut es in ihrem Spanisch geht. Am Ende geben sie ihr noch einen wertvollen Tip für eine preiswerte und gute Übernachtung im Nachbardorf.
Nach zwei Stunden bricht Samantha wieder auf. Sie umarmen sich, als wären sie alte Bekannte, und sie winken ihr noch nach, als sie um die Straßenecke biegt. Samantha fühlt sich immer noch auf eine ‘ ganz warme Weise berührt. Ihr sind bis jetzt schon viele freundliche Menschen auf dem Weg begegnet. Diese Begegnung hatte jedoch eine ganz andere Qualität. Die herzliche innere Einstellung der beiden Alten gestaltet deren gesamtes Leben, und für einen Moment war sie Teil davon. Zum zweiten Mal an diesem Tag wird sie mit dem Thema „Innere Absichten“ konfrontiert. Und zum zweiten Mal an diesem Tag bekommt sie eine wirklich lebensnahe Lektion.
Sie erreicht Riego de Ambros nach einer knappen Stunde. Der Weg führt sie durch hohen, blühenden Ginster, dessen Duft sie ganz verzaubert, als sie das Schild zu der kleinen Pension erblickt.
Die Wirtin zeigt ihr das Zimmer. Ein drittes Mal steigt Wohlbefinden in ihr auf. Das Zimmer hat bis zum Boden eine Fensterfront und verfügt über einen Balkon, der einen fantastischen Blick ins Tal sowie über die nahen und fernen Berge freigibt, und es ist nach Westen ausgerichtet, so daß sie heute abend vom Bett aus den Sonnenuntergang erleben kann. Ihr Glück ist unfaßbar!
Sie beeilt sich, vom Restaurant wieder in ihr Zimmer zu gelangen, um rechtzeitig für den Sonnenuntergang zurück zu sein. Es ist ein unglaublich schönes und fast nicht zu beschreibendes Ereignis. Die Bergkuppen werden zuerst in ein schimmerndes Rot getaucht, um dann in glühendem Orange zu erstrahlen. Je tiefer die Sonne sinkt, desto intensiver werden die Farben. Dann, ganz plötzlich, steht mitten in diesem Farbenspiel eine Mondsichel. Sie wandert über den Horizont und wird begleitet von Sternen, die wie aus dem Nichts auftauchen und dem Mond Gesellschaft leisten.
Demut steigt in ihr auf. Dankbarkeit dafür, daß sie leben darf. Dankbarkeit dafür, daß sie das so erleben darf, und dann fällt ihr wieder ein, daß sie für ihr Erleben ja selbst zuständig ist. Sie verpflichtet sich in einem Gebet, die Verantwortung für ihr Erleben zu übernehmen. Immer.
Auch dann, wenn sie Dinge, die geschehen, nicht verursacht hat, so ist sie dennoch dafür verantwortlich, wie sie mit ihnen umgeht und was sie daraus macht. Es ist ihre Aufgabe, den Wert und den Sinn in allem zu erkennen und auch umzusetzen. Tut sie es nicht, so wird sie sich als Opfer der Umstände erleben — trägt sie die Verantwortung, so wird sie Regisseur in ihrem Film sein.
Liebe
Liebe ist immer.
Liebe ist der Urzustand der Welt
und der Kontext für alle Energie!
Liebe ist Energie!
Bereits nach einer Stunde ist sie heute morgen in Molinaseca eingetroffen. Der wunderbare gestrige Abend klingt immer noch in ihr nach. Sie ist mit Blick auf den sternenklaren Himmel eingeschlafen und sehr erholt aufgewacht.
Nun sitzt sie auf der Terrasse eines kleinen Hotels in Molinaseca am Fluß. Die römische Brücke mit ihren Bögen aus Naturstein verbreitet ein mittelalterliches Flair. Die Sonne scheint auf das spiegelglatte Wasser, und durch die Bögen hindurch kann sie auf die Rasenflächen des angrenzenden Parks schauen.
Es ist ganz leise. Kein Autolärm, nicht einmal ein Fernseher oder ein Radio ist zu hören — alles ist mucksmäuschenstill, als wäre die Zeit stehengeblieben. Samantha wagt sich nicht zu bewegen, um
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