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So nah am Leben

So nah am Leben

Titel: So nah am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inaqiawa
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was ohnehin geschehen soll.

    Als sie zu Anna zurückkehrt, schaut die sie an. „Danke, ich danke dir. Ich kann so was nicht. Ich konnte sie nicht erschlagen. Ich habe das einmal gemacht, und dann konnte ich nicht mehr aufhören, das war so furchtbar. Ich habe immer wieder draufgeschlagen und konnte nicht mehr aufhören. Und jetzt hatte ich Angst, daß mir das wieder passiert.“ — „Anna, es ist gut! Sie bekommt Geleit in die Anderswelt, und sie wird ihren Todeskampf austragen. Es ist für sie gesorgt. Alles ist gut.“ — „Ich habe gesehen, was du gemacht hast. Ich kenne diese Zeichen — warum konnte ich das nicht?“ — „Vielleicht, weil du mit deinen Erlebnissen beschäftigt warst, und vielleicht hat dir das Leben diese Begegnung mit der Maus geschenkt, damit du an der Stelle einen Schritt machen kannst? Ich weiß es auch nicht. Du hast sicher ausgiebig Zeit, auf dem Weg darüber nachzudenken.“

    Anna kann sich wieder entspannen. Sie sitzen nebeneinander und schweigen. Dann geht Samantha wieder an ihren Platz zurück und schlüpft aus Schuhen und Strümpfen. Sie lehnt sich nach hinten und schließt die Augen. Die Szene läuft noch einmal vor ihr ab, aber noch bevor sie sich weitere Gedanken über das Geschehene machen kann, überkommt sie eine völlige Entspannung, und sie befindet sich an der Schwelle zwischen Schlaf- und Wachzustand.

    Sie wird erst wieder ganz wach, als Anna ihre Sachen zusammenräumt. Sie schaut auf und sieht, wie Anna zu ihr herüberkommt. „Kommst du mit?“, fragt Anna sie. „Wir könnten ein Stückchen zusammen gehen. Ich würde gerne noch mit dir reden.“ Samantha überlegt kurz und merkt, daß es auch ihr wichtig wäre, noch einmal über das Geschehene zu sprechen. „Ja, das ist eine gute Idee. Es wird ohnehin Zeit zu gehen, und es sind noch ein paar Kilometer, bis wir wieder auf Unterkünfte stoßen werden.“ Und so laufen die beiden gemeinsam los.

    Im Verlaufe ihres Gespräches kommen sie auf Annas Ängste zu sprechen. Das ist kein Zufall. Das Leben hat Samantha diese Begegnung geschenkt, damit sie noch einen weiteren Aspekt ihres Themas sehen kann.
    Sie reden eine ganze Zeit lang über die verschiedenen Ängste und deren Ausprägungen. Sie stellen gemeinsam fest, daß es viele Ängste vor irgendeinem Mangel gibt, und dann kommen sie am Ende wie selbstverständlich auf einen weiteren Punkt.

    Anna bleibt stehen. An ihrem Gesicht ist abzulesen, daß ihr das Ganze sehr nahegeht. „Das ist wirklich eine ziemlich alte und verkrustete Stelle in mir mit dieser Angst. An vielen anderen Stellen bin ich schon viel weiter. Im Grunde meines Herzens weiß ich und vertraue darauf, daß alles im Leben seine Richtigkeit hat und daß das Leben für uns alle sorgt. Wenn ich mir das genau anschaue, dann fällt doch diese ganze Mangeltheorie des Verstandes in sich zusammen.“

    „Hm, das ist ein schöner Gedanke. Da kämpfen in uns ganz augenscheinlich zwei verschiedene Aspekte miteinander. Der Verstand, dem es immer darum geht, uns am Leben zu erhalten und jeden möglichen Mangel zu sehen und ihm vorsorglich mit Angst zu begegnen, und unser Herz, das tief in sich weiß, daß für alles gesorgt ist und daß es auf der Welt gar keinen Mangel gibt. Unser Herz weiß, daß das Leben einen wahren Überfluß bereithält. Wenn wir ihm glauben könnten, dann würden wir von der Angst befreit werden. Mir wird auf einmal klar, welche Kräfte da wirken.“

    „Ja, ja, so muß es sein.“ Annas Stimme klingt nun etwas aufgeregter. „Das würde ja heißen, daß unsere Angst eine Ausprägung unseres minderen Vertrauens in das Leben ist. Und es würde auch heißen, daß wir unserer Angst mit Vertrauen in das Leben begegnen können, und wir sie damit in den Griff bekommen oder sogar loswerden könnten.“

    „Ja, und mir kommt da gerade auch noch der Gedanke, daß die Angst vielleicht gar nicht weg muß, sondern daß wir sie sehen und akzeptieren müssen. Neulich hatte ich einen inneren Dialog mit einigen meiner Gefühle. Dabei ging es in erster Linie darum, daß die Gefühle gesehen und nicht immer verdrängt werden wollten. Vielleicht liegt die Lösung darin, den Verstand vorsichtshalber die Angst ruhig produzieren zu lassen und dadurch zu sehen, daß aus seiner Sicht offensichtlich die Gefahr eines Mangels besteht. Um dann im zweiten Schritt dieser Situation mit dem Vertrauen des Herzens zu begegnen. Dann darf beides sein, und wir können alle unsere Aspekte leben.“

    Anna bleibt wieder

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