So nah bei dir und doch so fern
die Ärzte, bat um einen Termin bei ihnen, und sie willigten ein. Sie erhielt zwar dieselben Informationen, die sie schon kannte, doch ging es ihr danach besser, da sie die Ärzte direkt hatte befragen können.
Während ich auf der Intensivstation lag, war meine Mutter manchmal wütend, weil Mark einfach mit seinem Familienleben fortfuhr. Was sie nicht bemerkte, war die Tatsache, dass er genauso litt wie sie, nur dass er eine andere Art der Schmerzbewältigung suchte. Schließlich schaltete sich Dave ein, vor dem Mark großen Respekt hatte, und geteilte Tränen und gemeinsames Lachen schlugen am Ende eine Brücke, die diese beiden Menschen, die mich am meisten liebten, miteinander verband.
KAPITEL 8
Lachen ist die beste Medizin
W ährend die medizinischen Aussichten noch äußerst düster waren, verschwieg meine Familie allen Menschen, die mir gute Besserung wünschen wollten, die harte Realität meines Zustands. Anfangs kamen nur Mark, meine Mutter und Dave, mein Vater und dessen Frau Babs sowie Schwägerin Ann und Schwager Kevin zu Besuch. Als »Anführerin« meiner Freundinnentruppe hielt Alison Kontakt zu Mark und meiner Mutter, um regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht zu werden, doch sie wahrte respektvollen Abstand, um die Intimität der Familie nicht zu stören. Aber da ich mich ans Leben klammerte, schien es nur gerecht, diese Freundinnen, mit denen ich in glücklicheren Zeiten so viel geteilt hatte, wieder in meine Welt eintreten zu lassen.
»Ihr müsst sie besuchen«, drängte meine Mutter.
Daraufhin machte Alison mit den anderen einen Besuchstermin aus. Als sie, Anita und Jaqui sich zum ersten Mal meinem Bett näherten, stand in meinen Augen blinde Panik. Sie waren über meinen Zustand vollständig informiert, daher kann ich nur vermuten, welcher Horror sie erfasste, als sie mich an die lebenserhaltenden Maschinen gefesselt daliegen sahen. Sie kannten mich als Kate, die treibende Kraft. In meinen Augen sahen sie jetzt Kate, das verängstigte Opfer. Das breite Grinsen, das mich sonst auszeichnete, war verschwunden, ersetzt durch ein eingesunkenes Gesicht, dem die Muskeln nicht mehr seine normale Form verleihen konnten, gekennzeichnet durch einen sabbernden Mund und Augen, die hohl und angsterfüllt waren.
»Hallo, Kate. Rate mal, wer die letzte freie Stelle auf dem Parkplatz ergattert hat. Ich musste einen Kerl mit seinem Range Rover aus dem Felde schlagen«, verkündete Alison stolz und zog einen Stuhl neben mein Bett, gefolgt von Anita und Jaqui. Ich versuchte, mit den Augen zu lächeln, doch ich scheiterte kläglich. Anita bemühte sich, die Stimmung zu heben. »Ich habe Alison schon gesagt, wenn das Kates Masche ist, sich vor dem Ausbildungslager zu drücken, dann ist sie auf dem Holzweg.«
Ich hörte das fröhliche Geplänkel meiner besten Freundinnen und Laufkumpel, und ich wollte glücklich sein. Ihr Lachen war der erste heitere Ton, den ich seit Wochen vernommen hatte, und ich hätte so gerne mit eingestimmt. Doch ich spürte, dass sie sich nach außen hin stark gaben, während sie innerlich genauso verstört waren wie ich, und das beunruhigte mich. Wussten sie etwas, das ich nicht wissen sollte? Hatte man ihnen etwas über meine Lebenserwartung mitgeteilt? Ich hatte keine Möglichkeit, sie zu fragen.
Als meine Tränen wieder zu fließen begannen, warf Alison Jaqui und Anita einen Blick zu, als wolle sie fragen: »Scheiße, was haben wir denn gesagt, dass sie sich so aufregt?«
»Erinnerst du dich noch an die Nacht, als wir uns mit Limoncello haben volllaufen lassen?«, fuhr Alison fort und wählte damit ein Thema, auf das ich reagieren musste. Sie versetzte mich in eine glücklichere Zeit, als unsere Familien gemeinsam Urlaub machten und viel Spaß hatten. Sie redete wie ein Wasserfall und verdrängte die tödliche Stille auf der Station. Alison ist eine begnadete Rednerin. Es ist Teil ihres Jobs. »Gehen Sie heute Abend aus?«, »Wohin geht’s denn im Urlaub?«, das ist so die Art Fragen, die man im Friseursalon parat haben muss. Jetzt setzte sie ihre ganzen Fähigkeiten ein, um die Leere mit unsinnigem Geschwätz zu füllen.
»Weißt du, dass du deinen Ruf als die Obersäuferin von Dore zu verteidigen hast? Sieh also zu, dass du wieder auf die Beine kommst, sonst klaue ich dir die Krone«, sagte sie und machte mir damit bewusst, dass ich in den Augen der Freundinnen immer noch die gleiche Person war, mit der sie durchzechte Nächte und Läufe mit klarem Kopf geteilt hatten.
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