So nah bei dir und doch so fern
zehn Minuten gebraucht, um eine Vorlage auszuwählen, einen Schmetterling für mich und einen Marienkäfer für Diana, doch es machte mir nichts aus, weitere zehn Minuten zu warten, falls dadurch eine halbwegs sterile Nadel garantiert war. Wenn man an das Jahr 1995 zurückdenkt, als das Aids-Virus eine der häufigsten Todesursachen war und durch schmutzige Nadeln übertragen wurde, hätte das Schmetterling-Tattoo leicht meinen Tod bedeuten können. Glücklicherweise kam es nicht dazu.
Als unsere vier Monate in Thailand vorüber waren, kündigten wir bei Petch und seiner Frau und jetteten nach Australien zur letzten Etappe unseres Abenteuers. Die ersten paar Wochen reisten wir in einem Greyhound-Bus entlang der Ostküste und machten Station im Surfer-Paradies Byron’s Bay, an der Gold Coast und am Cape Tribulation im Nordosten. In Sydney angekommen, gingen Diana und ich getrennte Wege. Sie wollte den Bus nach Ayers Rock nehmen, ich wollte in Sydney bleiben.
Ich quartierte mich in einem 16-Dollar-pro-Nacht-Hotel ein und blieb zwei Wochen, bis mir das Geld ausging. Ich wusch Autoscheiben an Verkehrsampeln, doch das reichte nicht. Bis auf ein paar Dollar war ich total abgebrannt und brauchte dringend einen Job, als mir ein Exemplar des Sydney Herald in die Hände fiel. »Kindermädchen für drei Wochen gesucht«, stand da. Es war die ideale Stelle, deshalb rief ich unter der angegebenen Nummer an, nur um zu hören, ich käme zu spät, es seien bereits massenhaft Bewerbungen eingetrudelt.
»Aber Sie müssen mich sehen«, insistierte ich, »ich bin eine englische Kinderfrau und war als Au-pair-Mädchen in den USA .«
Schließlich gab die Frau am anderen Ende nach und sagte, ich solle um 15 Uhr kommen. Um 14 Uhr war ich bereits dort und freundete mich mit ihren drei Jungen an. Wir spielten Basketball und Karten, und als dann das Vorstellungsgespräch begann, war mir der Job schon so gut wie sicher. Probeweise musste ich abends die Babysitterin spielen. So übernachtete ich dort, und als wir am nächsten Morgen am Kaffeetisch saßen, bekam ich die Stelle.
Ich war begeistert, doch gab es noch ein Problem. Das Ehepaar brauchte ein Kindermädchen für drei Wochen, die es in Europa verbringen wollte, und die beiden hatten vor, erst in zwei Wochen zu verreisen. Ich brauchte den Job aber sofort. Mein Geld reichte gerade für eine weitere Übernachtung im Hotel, und wenn ich keine andere Arbeit finden sollte, musste ich die Scham auf mich nehmen, meine Mutter anzurufen und sie um das Geld für den Rückflug zu bitten. Ich bat das Ehepaar, früher beginnen zu dürfen, da ich in einer Notlage sei. Die beiden betrieben eine Anzeigenagentur in Sydney, und so waren sie einverstanden, mir bis zu ihrer Europa-Reise einen Aushilfsjob in ihrem Büro zu geben. Sie fuhren mich zu meinem Hotel, um mein Gepäck abzuholen.
Während meines Aufenthalts in Australien nahm ich Verbindung mit Mark auf und lud ihn zu einem Urlaub ein. Er kam für drei Wochen, und es gelang uns, unsere Beziehung zu kitten. Als es dann so weit war, Sydney zu verlassen, wusste ich, dass ich nach Hause zu meinem Ritter in schillernder Rüstung flog. Bei der Landung in Heathrow war Mark zur Stelle, um mich abzuholen. Sechs Monate später, am Freitag, dem 15. Mai 1998, heirateten wir.
Meine Mutter war zufrieden, dass ich schließlich doch noch Wurzeln geschlagen hatte, doch in ihrem Herzen regte sich vielleicht wie bei vielen Müttern die Sorge, jener Mann, den ihre Tochter heiratete, sei nicht gut genug für sie. Über die Jahre hinweg haben meine Mutter und Mark ein typisches, angespanntes Mutter-Schwiegersohn-Verhältnis entwickelt. Sie war der Meinung, Mark habe mich nie genügend unterstützt, als die Kinder klein waren, stattdessen habe er die meiste Zeit mit Geschäftsreisen rund um die Welt verbracht.
Unmittelbar nach meinem Schlaganfall erreichte das schlechte Verhältnis der beiden seinen Höhepunkt, da sie häufig wegen meiner Prognose aneinandergerieten. Sie waren eben zwei unterschiedliche Persönlichkeiten mit unterschiedlicher Herangehensweise. Für Mark ging es nur darum, die Fakten zu kennen, so hart sie auch sein mochten, um mit ihnen zum Wohle der Familie umgehen zu lernen. Er war mein nächster Verwandter und das Bindeglied zwischen der Familie und den Medizinern. Meine Mutter fürchtete jedoch, er erzähle ihr nicht die ganze Wahrheit, wenn er Dinge sagte wie: »Immer noch dasselbe. Nichts Neues.« Sie schrieb einen leidenschaftlichen Brief an
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