So nah bei dir und doch so fern
hatte das Gefühl, ich könne alles verstehen, was um mich herum vor sich ging.
Als Mark und ich wieder alleine waren, erklärte er mir, was geschehen war: »Kate, du hast einen Schlaganfall gehabt.« Mehr sagte er nicht.
Das ergab keinen Sinn für mich. In meiner Vorstellung waren Schlaganfälle etwas, das nur alte Menschen traf, und wer einen Schlaganfall erlitten hatte, blieb auf einer Körperseite gelähmt. Weshalb war ich vollständig bewegungsunfähig? Sonderbar für jemanden, der normalerweise immer so wissbegierig war, aber ich wollte keine näheren Details hören, und Mark ging auch nicht auf die Einzelheiten ein.
Als Ergebnis dieses Einstiegs in die Kommunikation wurde eine Karte neben meinem Bett angebracht:
2 x blinzeln = Ja
1 x blinzeln = Nein
Eines Nachmittags erschien Alison zu ihrem üblichen Besuch in Begleitung eines Mannes und einer Frau, beide waren seriös gekleidet und erweckten einen offiziellen Eindruck. Ich geriet in Panik, und Alison musste mich beruhigen. Wollte man mich etwa auffordern, mein Testament zu machen? Wussten sie, dass ich bald sterben würde? Morbide Gedanken schossen mir durch den Kopf, die gar nicht mal so irrational waren, wenn man bedenkt, dass der gesamte Medizinerstab und meine Angehörigen mich über meine düsteren Aussichten im Unklaren ließen.
Alison erklärte mir, Mark habe eine Anwaltskanzlei aus Sheffield beauftragt, eine Vorsorgevollmacht vorzubereiten. Er hatte nicht selbst kommen können und deshalb Alison gebeten, als Zeugin zu fungieren. Für Mark war dies ein weiterer Schritt, das Leben im Lot zu halten. Wir besaßen eine gemeinsame Versicherung für den Fall schwerer Erkrankungen, die unsere beiden Unterschriften erforderte, um Ansprüche geltend zu machen. Außerdem hatten wir ein gemeinsames Bankkonto, und mit einer Partnerin, die nicht mit dem Kopf nicken, geschweige denn eine Unterschrift leisten konnte, wollte Mark Vorkehrungen treffen, um unsere Finanzen auch allein verwalten zu können. Indem ich ihn zum »Bevollmächtigten« machte, solange ich außerstande war, so etwas Einfaches wie das Ausstellen eines Schecks oder das Unterschreiben eines Briefes zu erledigen, war er in der Lage, sich um unsere Finanzen und das Haus zu kümmern.
Ich erinnerte mich, dass Mark mir bei einem früheren Besuch davon erzählt hatte, doch ich hatte nicht erwartet, so plötzlich damit konfrontiert zu werden. Seit ich auf der Intensivstation lag, fühlte ich mich wie in einem Todestrakt. Ich glaubte, sterben zu müssen, nur wusste ich nicht, wann oder wie, und ich hatte das Gefühl, auch die Leuten um mich herum sähen mich bereits auf dem Totenbett.
Alison stellte mich den Anwälten vor, die mir ein Blatt Papier vor die Augen hielten, das ich lesen sollte. Sie besaßen bereits ein vom Facharzt für Neurologie unterschriebenes Attest, in dem bescheinigt wurde, dass ich an einem Locked-in-Syndrom litt und nicht sprechen konnte. Es wurde bestätigt, ich sei in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen, sofern die Kommunikation über Augenbewegung und Blinzeln sichergestellt sei, und obwohl ich nicht imstande sei, eine Vorsorgevollmacht zu unterschreiben, sei ich doch in der Lage, eine dritte Partei zu autorisieren. In diesem Fall war Alison die dritte Partei. Sie stellte mir eine Reihe von Fragen, die sie aus dem offiziellen Dokument vorlas, und ich sollte blinzeln, ob ich zustimmte oder nicht. Danach unterschrieb sie für mich, und ich musste meine Zustimmung blinken.
Nachdem der offizielle Akt vollzogen war, gingen die beiden Anzugträger und überließen es Alison, sich mit mir und der Situation auseinanderzusetzen.
»Es handelt sich dabei nur um eine Formalität«, versicherte sie mir. »Du brauchst dir absolut keine Sorgen zu machen, das ist lediglich eins dieser rechtlichen Dinge, die Mark benötigt, um sicher zu sein, dass er Sachen in deinem Namen unterschreiben und sich um eure Finanzen kümmern kann.«
Ich war nicht überzeugt. In meiner Vorstellung war die Botschaft klar und deutlich: Wenn man die Herrschaft über seine finanziellen Angelegenheiten abgeben musste, dann ging es aufs Ende zu. Niemand hatte Derartiges zu mir gesagt, aber die Stimmen in meinem Kopf riefen: Gute Nacht! Dein Schicksal ist besiegelt.
Alison blieb länger bei mir als gewöhnlich, da sie besorgt war, mich in diesem Zustand zurückzulassen. Als sie sich schließlich von mir verabschiedete, weinte ich länger und heftiger als je zuvor. Während sie das Zimmer verließ,
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