So nicht, Europa!
beginnt, streng rechtstechnisch betrachtet, schon Jahre vor der Initiative der Australier. Am
9. September 2003 laden die Sprecher der E U-Kommission in Brüssel zu einer ihrer regelmäßigen Pressekonferenzen. Im blaugepolsterten Briefing-Saal des Berlaymont, der an eine Mischung aus Cineplex und Hörsaal erinnert, geben sie die Idee für
eine neue Richtlinie bekannt. Die Beamten umwerben sie als »Durchbruch in der E U-Produktpolitik «.
Das Zauberwort heißt »Ökodesign«. Es geht darum, für »Elek tro- und Elektronikgeräte oder Elektrowärmeanlagen« künftig eine umweltfreundliche Gestaltung vorzuschreiben. Die Kommission möchte
damit einen ihrer legitimen Aufträge erfüllen, nämlich Europa moderner und ökologischer zu gestalten. »Unternehmen wie Verbraucher
werden sehr profitieren«, kündigt die damalige Energiekommissarin Loyola de Palacio an, »einerseits durch bessere Produkte
und eine verbesserte Umwelt, andererseits aber auch wirtschaftlich, durch die rationalere Nutzung von Ressourcen.«
Das Vorhaben passt in den Zeitgeist und erregt keinen Widerspruch. Die EU zwingt die Industrie zum Energiesparen. Na und?
Fabrikanten brauchen eben manchmal einen kleinen Schubs, um ihre Produktion auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Die Kommission
unterstreicht mit der Ökodesign-Richtlinie im Grunde nur einen Trend, den die Konsumgesellschaft längst vorlebt. Die Menschen
achten beim Kauf von neuen Waschmaschinen oder Heizkesseln zunehmend auf deren Strom-, Wasser- oder Ölverbrauch. Vor allem
um diese Großgeräte geht es der EU zunächst. Auf Grundlage technischer Listen sollen »Umweltmindeststandards« für Produktgruppen
wie Kombiboiler oder Warmwasserbereiter, Klimaanlagen oder Geschirrspüler festgelegt werden. Auch die Stand-by-Funktion von
Fernsehern, die für überflüssige Stromzehrung sorgt, soll verschwinden. Die Neuerung ist populär. Schließlich ist sie für
die Konsumenten mit keinen spürbaren Nachteilen verbunden.
Von Glühbirnen ist damals noch nirgendwo die Rede. Kaum jemand ahnt, wie weit das Ökodesign in wenigen Jahren in die Wohn-
und Schlafzimmer der Europäer hineinreichen soll. Auch nicht die Vertreter der »Zivilgesellschaft«, die von der E U-Kom mission als Ersatz für Volkes Stimme nach Brüssel geladen werden.
Bei dieser künstlichen Öffentlichkeit handelt es sich zunächst um das »Europäische Energie- und Verkehrsforum«. Laut Kommission
bestehen seine Mitglieder aus »hochrangige(n) Persönlichkeiten, die ein breites Spektrum von Wirtschaftsbereichen und Kompetenzen
vertreten«. Das mag stimmen. Doch bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass das Spektrum ein bisschen zu breit ist für ein
ernst zu nehmendes Beratungsgremium in Sachen Energieeffizienz.Zu den 34 Mitgliedern des Forums zählt ein Vertreter der schwedischen Eisenbahnbehörde ebenso wie der Präsident der Europäischen Schiffseigner-Vereinigung.
Ein Antiterrorspezialist aus Norfolk stößt ebenso zu der Runde wie ein Professor für Handelsrecht aus Genua. Oder der Generaldirektor
des Brüsseler Hafens.
»Da prallen Welten aufeinander«, sagt ein Mitglied des Ausschusses. Und er fügt mit leicht resignierter Stimme hinzu: »Letzt lich sind wir doch nur dazu da, den Maßnahmen der Kommission einen Anschein höherer Legitimität zu verleihen.«
Zu den sechs Deutschen in dem Ausschuss gehört Franz-Gerhard Hörnschemeyer von der IG Bergbau/Chemie. Auf das Glühbirnenverbot
angesprochen, sagt er Jahre später: »An dieser Ausgeburt des Bürokratismus waren wir nicht beteiligt – jedenfalls nicht federführend.«
Hörnschemeyer ist nicht begeistert von den Auswirkungen, die die Ökodesign-Richtlinie heute zeigt. »Ich halte das Glühbirnenverbot
für wenig sinnvoll«, gesteht er. »Solche Entscheidungen kann man doch nun wirklich den Konsumenten überlassen.« Letztlich
wusste er nicht, was er absegnete, als er für die Ökodesign-Richtlinie stimmte. »Wir haben das im Forum damals ein wenig abgetan«,
berichtet Hörnschemeyer, »wir dachten, es ginge vor allem um Waschmaschinen und Kühlschränke. Das Thema CO 2 -Einsparung wurde ja sehr politisch behandelt, und die grundsätzliche Linie will man da natürlich schon unterstützen.«
Am 13. April 2005, nach dem Plazet des zivilen Beteiligtengremiums, stimmt auch das Europäische Parlament der Ökodesign-Richtlinie
zu. Die Kommission zeigt sich erfreut, denn nun, so drückt es der deutsche Industriekommissar
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