So nicht, Europa!
Ländern fangen an,
ausgiebige Studien über Helligkeitsgrade und Stromverbrauch aller möglichen Leuchtmittel auszuarbeiten. Zum Pool dieser Effizienzspezialisten
gehört auch das Hamburger Institut für Ökologie und Politik, kurz Ökopol. Die E U-Kommission und das Bundesumweltministerium haben die GmbH in Altona beauftragt, an der Birnenstreichliste mitzuwirken. Die Mitarbeiter
von Ökopol machen sich mit Akribie daran, nach sinnvollen Alternativen zur Edison-Birne zu suchen.
»Die Auswahl zu treffen ist ein zähes Tauziehen, besonders mit den Herstellern«, berichtet der Ökopol-Mitarbeiter Dieter Großmann,
ein promovierter Physiker. Um jede Birne, um jedes Watt, so Großmann, sei mit den Vertretern von Osram und Philips gerungen
worden. »Eine Frage«, sagt Großmann, »war auch: Sollen Halogenlampen mit auf die Verbotsliste? Wir haben uns letztlich dagegen
entschieden. Aber das stand auf der Kippe.« Um ein Experten-Haar also wäre den Edison-Anhängern auch ihr letzter Trost genommen
worden. Doch die Erleichterung gilt nur vorübergehend. Ab 2016 soll es auch Halogenstrahlern an den Kragen gehen – vorausgesetzt,
die Industrie schafft es nicht, bis dahin energiesparendere Modelle auf den Markt zu bringen.
Wie aber steht es um das Quecksilber in den Energiesparlampen? Wegen seiner hohen Toxizität hat die EU erst im Juli 2007 alle
Fieberthermometer verboten, die das Schwermetall enthalten. Und jetzt soll dasselbe gefährliche Zeug per Energiesparlampe
in Massenumlauf gebracht werden? Kann die Ökobilanz der neuen Leuchtmittel da wirklich besser ausfallen als die der alten
Edison-Birnen?Diese Frage sei ein »großer Knackpunkt« gewesen, sagt Dieter Großmann. Immerhin brachten laut deutschen Studien bis dato nur
20 Prozent aller Verbraucher alte Energiesparlampen zum Sondermüll. Andere Experten, so Großmann, hätten allerdings festgestellt,
dass die Menge Quecksilber, die durch die Stromproduktion für herkömmliche Glühlampen über die Schornsteine von Kraftwerken
freigesetzt werde, höher sei als die zur Produktion von Energiesparlampen notwendigen Chargen (etwa 5 Milligramm pro Lampe). Wie auch immer die Grundlage für diese Berechnung aussah und ob sich Quecksilber in Fabrikabgasen tatsächlich
mit Quecksilber im Boden vergleichen lässt – die E U-Kommission schloss sich diesem Urteil an.
»Selbst im ungünstigsten Fall«, versicherte Energiekommissar Andris Piebalgs auf eine Anfrage der FD P-Europaabgeordneten Silvana Koch-Mehrin vom 15. Januar 2009, »wenn eine Kompaktleuchtstofflampe zur Mülldeponie gebracht würde, hat sie während ihrer Funktionsdauer bereits
mehr Quecksilberemissionen aus der Stromproduktion in Kohlekraftwerken eingespart als ihrem eigenen Quecksilbergehalt entspricht,
so dass die Quecksilberverschmutzungsbilanz insgesamt positiv ist.«
Die expertengeprüfte Glühbirnenverbotsliste geht nunmehr zur Absegnung zurück nach Brüssel. Am 28. März 2009 tritt dort, um zehn Uhr morgens, in einem Bürogebäude in einer Seitenstraße des E U-Viertels , ein weiterer beratender Ausschuss der Kommission zusammen. Das Gremium heißt diesmal »Konsultationsfo rum «. Es ist besetzt mit etwa 80 Vertretern von Regierungsbehörden, Umweltschutzgruppen und Industrie. Es soll die konkreten Umsetzungsschritte für das Birnenverbot
aus allen relevanten Blickwinkeln beleuchten. Das Konsultationsforum könnte in der Tat ein Ersatz für eine kritische Öffentlichkeit
sein, denn es ist durchaus pluralistisch besetzt – selbst Verteidiger der alten Glühbirne sitzen mit am Tisch. Doch in der
Praxis agiert das Forum als supranationales Abnickungsorgan.
Mit im Zimmer in der Rue Froissart 36, gleich hinter dem Brüsseler Ratsgebäude, sitzt Christoph Mordziol vom Umweltbundesamt.
Zusammen mit der Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung hat seine Behörde eine Stellungnahme zum Glühbirnenverbot
erarbeitet. Das Dokument ist abgestimmt mit Sigmar Gabriels Bundesumweltministerium. Kein Wunder, zu welchem Schluss Mordziol
und seine Kollegen kommen. Sie »heißen dieEinführung von umweltgerechten Pflichtanforderungen für allgemeine Beleuchtung willkommen und unterstützen sie«.
Niemand spricht sich während der Sitzung, sie dauert den ganzen Tag, gegen die Totalabschaffung der Glühbirne aus, im Gegenteil.
»Alle Interessenvertreter stimmen darin überein, dass Kompaktleuchtstofflampen die derzeit effizienteste (…)
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