So nicht, Europa!
Günter Verheugen aus, sei die
EU besser in der Lage, »den weltweiten Herausforderungen im Zusammenhang mit der ökologischen Verbesserung ihrer Produkte
zu begegnen«.
Mit der Ökodesign-Richtlinie hält die EU einen gesetzgeberischen Blankoscheck zur Neuordnung der europäischen Elektrogerätelandschaft
in der Hand. Für die konkrete Umsetzung, wann also welche Boiler oder Ölkessel vom Markt verschwinden, sollen technische Fachgremien
sorgen, die von der Kommission bestellt werden. Für das Verbot der Glühbirne allerdings braucht es einen gewichtigen politischen
Impuls. Der kommt, knapp zwei Jahre nach Erlass der Ökodesign-Richtlinie, aus Deutschland.
Es geschieht im Januar 2007. Nur wenige Wochen bevor dieaustralische Regierung ihr Glühbirnenverbot bekannt gab, hatte die Bundesregierung in Brüssel die E U-Ratspräsidentschaft übernommen. Berlin führt von nun an ein halbes Jahr lang das Ruder in Europa. Es dauert nicht lange, bis ein ambitionierter
Umweltminister beginnt, das Potenzial zum Durchregieren zu nutzen, das die Gesetzgebungsmaschine Brüssel bietet. Wer wollte,
der hätte schon im Dezember 2005 den europapolitischen Plänen von Sigmar Gabriel lauschen können. Sein Bundesumweltministerium
hält damals zusammen mit der E U-Kommission eine Konferenz über »Nachhaltigen Energieverbrauch« ab. Dort redeten die Behördenvertreter Klartext. Als Ziel von Einsparmöglichkeiten
in Haushalten wünschen sie sich einen »Verzicht auf Glühbirnen auf europäischer Ebene«. Doch kurz bevor sie zur Tat schreiten
können, stehlen ihnen andere die Show. Im Winter 2007 preschen auf einmal, so empfindet man es in Gabriels Hause, die Australier
voran. »Wir haben uns hier natürlich gefragt, warum die das so schnell hinkriegen und wir nicht«, heißt es rückschauend im
Bundesumweltministerium. »Ist die Europäische Union etwa zu schwerfällig für effektiven Klimaschutz?«
Noch im Februar 2007, nur wenige Tage nach der Nachricht aus Canberra, schreibt Gabriel einen Brief an den Brüsseler Umweltkommissar
Stavros Dimas. Der SP D-Minister macht Druck. »Die durch die australische Regelung initiierte Diskussion um Energiesparlampen« erscheine ihm, schreibt Gabriel,
»durchaus interessante Möglichkeiten aufzuzeigen. (…) Durch die Umstellung von herkömmlichen Glühbirnen auf Energiesparlampen«
könnten in Europa 25 Millionen Tonnen CO 2 pro Jahr eingespart werden. Angesichts dieser Zahlen könne es keine Frage sein, was zu geschehen habe: »Der Standort Europa
kann sich eigentlich keine Produkte mehr leisten, die wie herkömmliche Glühbirnen einen Effizienzgrad von nur 5 Prozent aufweisen.« Gabriel bittet den Kommissar »rasch« für entsprechende »Durchführungsmaßnah men « zu sorgen. Als Vehikel für das Verbot, schlägt Gabriel vor, könne die Ökodesign-Richtlinie dienen. Die Edison-Glühbirne
müsse bloß als verboten ineffizient eingestuft werden.
Gabriels Initiative sorgt damals kaum für Schlagzeilen. Nur ein Minister, nur ein neues Experiment im Politiklabor Brüssel,
bloß eine Regulierungsidee von vielen – was heißt das schon? Aus den vereinzelten Zeitungsberichten über Gabriels Vision entspinnt
sich keine politische Debatte. Wichtige Medien wie ›Spie gel Online‹ oder die ›Süddeutsche Zeitung‹ bringen zwar Artikel mit Überschriften wie »Gabriel will Glühbirne aus Europa verbannen«
oder »Umweltminister Gabriel für europaweites Verbot von Glühbirnen«. Doch die Texte füllen lediglich kurze Spalten und sind
aus den üblichen Agenturmeldungen zusammengesetzt. So richtig ernst scheinen die meisten Redakteure zwischen Hamburg und München
die Idee nicht zu nehmen.
Auf den Fluren der E U-Hauptstadt Brüssel hingegen entwickelt Gabriels Vorschlag eine ungeahnte Dynamik. Der Minister hat eine Kugel angestoßen, die mit ungebremster
Geschwindigkeit durch die Büros der Kommission rollt. Denn zum einen haben die Worte der Deutschen im Ratsvorsitz noch mehr
Gewicht als ohnehin im europäischen Normalbetrieb. Zum anderen giert die Kommission beständig nach Integrationsinput aus den
nationalen Hauptstädten. Wie oft wird den Brüsseler Beamten vorgeworfen, sie skizzierten bizarre Regulierungsideen. Der Glühbirnenvorschlag
aber kommt schwarz auf weiß aus der Hauptstadt des größten Mitgliedslandes. Nicht nur deshalb ist Gabriels Wort den Kommissionsmitarbeitern
allzu gerne Befehl.
Denn die EU sucht nach jeder noch so
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