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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa!
Autoren: Jochen Bittner
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Fehlschlüsse.
    Die Erwartung der Bürger an das Politikmanagement der EU schwanken je nach aktuellen Großthemen. Seit dem 11.   September 2001 wünscht sich ein Großteil der Europäer, gut 80   Prozent, von der EU mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus – genauso wie von den nationalen Regierungen. Nach der
     Finanzkrise verlangten die Bürger an erster Stelle wirtschaftliche Sicherheit vom Brüsseler Apparat – ebenfalls wieder genauso
     wie von ihren Heimatregierungen.
    Aus der Tatsache, dass eine große Mehrheit der Europäer (re gelmäßig um die 80   Prozent) sich von der EU eine effektive Rolle in der Kriminalitätsbekämpfung wünscht, leiten Diplomaten und Kommissionsbeamte
     immer wieder ab, dass die Bevölkerung der EU auf diesem Feld mehr Kompetenzen zuweisen möchte. Das ist aber keineswegs notwendig
     so. Genauso gut könnte es sein, dass die Menschen möchten, dass die EU mit ihrer bestehenden Machtfülle wirksamer und entschlossener
     zu Werke geht. Die eigentlich entscheidende Frage wäre: Wie viele Europäer wären auch bereit, der EU zum Zwecke effektiveren
     Politikmanagements mehrMacht zu übertragen? Dieser Wert taucht in keiner Umfrage auf. Die vermeintlichen Urteile eines Bevölkerungsquerschnitts zum
     Regieren zu benutzen, kann also zu fatalen Fehlurteilen führen. Zudem trägt die Methode »Was hätten Sie denn gern?« weder
     zu Lerneffekten noch zu mehr Zufriedenheit oder gar dem Gefühl von Selbstbestimmung bei.
     
    Wenn man den Vergleich mit der Wirtschaft und ihrer Marktforschung konsequent verfolgt, dann muss man auch in Betracht ziehen,
     dass in Unternehmen am Ende der tatsächliche Markterfolg zählt und nicht die Ergebnisse der Kundenbefragung. Letztere weichen
     mitunter erheblich von dem ab, was am Markt verwirklicht werden kann. Oder, übersetzt ins Politische: Ein Teilhabesystem kann
     sich nicht nur den Input der Bürger legitimieren, es muss auch durch den Output überzeugen, durch konkrete Ergebnisse.
    Wenn Produkte nicht überzeugen, können Kunden die Unternehmen, die sie produzieren, durch Kaufenthaltung »bestrafen«. Beim
     »Unternehmen« EU haben die Bürger diese Möglichkeit nicht. Vielleicht »trauen« laut dem Eurobarometer (wieder Herbst 2009)
     deshalb nur 46   Prozent der Europäer der Kommission, vielleicht sagten deshalb gar nur 12   Prozent der Deutschen laut einer Allensbach-Umfrage im Mai 2008, sie fänden es bedauerlich, wenn sie morgen in der Zeitung
     läsen, die E U-Kommission würde abgeschafft. Auf die Frage »Wie rasch soll die Entwicklung zu einem vereinten Europa sein, schneller, langsamer oder
     weiter wie bisher« antwortet seit 1990 (bis auf eine kurze Ausnahmespanne nach dem 11.   September 2001) eine deutliche Mehrheit der befragten Deutschen, es möge doch bitte langsamer zugehen. 2008 wünschten sich
     35   Prozent eine Entschleunigung, gegenüber 12   Prozent, die eine schnellere Integration verlangten. 106

Warum ist Brüssel so schwer vermittelbar?
    Bloß schade, dass das Städtchen in Belgien liegt. Aber wenn’s nicht in Belgien wäre, wenn’s irgendwo gut gelegen wär’, würden
     viel zu viele Menschen kommen, um es zu sehen. Und das würde alles versauen.
    Ralph Fiennes alias Gangsterboss Harry in der britischen Filmkomödie ›Brügge sehen   … und sterben?‹
     
    Diese falschen und verkehrten Meinungen müssen umso mehr verabscheut werden, als sie gerade danach streben, die heilsame Gewalt
     zu hemmen und zu beseitigen.
    Papst Pius XI., Enzyklika »Quanta Cura« über die Irrtümer der Zeit
     
    Es ist Abend an der Place Luxembourg. Der Widerschein der untergehenden Sonne wirft Blitze, während er spiegelnd an der gewaltigen
     Glasfront des Europaparlaments herunterzieht. Von hier aus wirkt das ganze E U-Viertel wie ein gigantisches Raumschiff, das, von Osten angeflogen, halb Brüssel unter sich begraben hat und erst kurz vor der pittoresken
     Kulisse der Place Lux zum Stehen gekommen ist. Die Bars rund um den Luxemburger Bahnhof sind eine Oase in der Betonwüste.
     Die schmucken Altbauten, die dem Abriss getrotzt haben, bilden ein charmantes Karree um eine kleine Grünfläche herum. Oberhalb
     der belebten Kneipengeschosse sind ein paar der Häuser verwaist, Gestrüpp wächst aus dem verwitterten Mauerwerk. Ein Hauch
     von Montmartre, eine Prise Prenzlauer Berg liegt in der Luft. Die Place Lux ist der After-work-Treff der Generation Erasmus.
     Abgeordnete, Lobbyisten und Pressemenschen stehen in
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