So nicht, Europa!
Abgeordneten mit Nein. Die Grünen sind geschlossen dagegen
– und rühmen sich eines Sieges gegen den»schwarz-gelben Block der Fortschrittsverweigerer«. Doch diese Bewertung ist hinsichtlich der Schwarzen halb falsch und hinsichtlich
der Gelben fast ganz. Denn auch von den 22 Vertretern der Konservativen im Umweltausschuss stimmt eine Mehrheit für das Glühbirnenverbot, 12 von 10. Und von den acht liberalen E U-Abgeordneten stimmte nur einer gegen das Verbot.
Der Rebell ist ein Deutscher, stammt aus Leipzig und heißt Holger Krahmer. »Mein Argument war: Es ist nicht richtig, wenn
die EU per Verwaltungsakt eine so weitreichende Entscheidung trifft«, erinnert er sich. »Das Argument der Sozialdemokraten
und der Grünen war: Es geht um den Klimaschutz! Ich solle aufhören, populistisch daherzureden.«
So entgeht die Brüsseler Gesetzesschmiede der Gefahr, dass die Debatte über Sinn und Unsinn des Glühbirnenverbots ins Volk
getragen wird. Am 17. April 2009 tritt Verordnung 244 / 2009 in Kraft. Das Ende der Glühbirne ist besiegelt. Das Ende des Ökodesigns ist es noch lange nicht. Nur eine Woche nach
dem Aus für die Edison-Birne, am 24. April 2009, beschloss das Europäische Parlament eine Ausweitung der Energieeffizienz-Richtlinie, und zwar auf alle »energieverbrauchsrelevanten
Produkte«. Alles also, was womöglich zu viel Wasser (Duschbrausen) oder Reibung (Auto reifen ) erzeugt, kommt auf den E U-Prüfstand . »Ich habe eine Vision«, erklärte der damalige deutsche Energiekommissar Günter Verheugen (SPD) im Europaparlament. »Eine
Vision, wie das europäische Produkt der Zukunft aussehen soll. Das europäische Produkt der Zukunft, gekennzeichnet durch ein
Made in Europe
, sieht so aus, dass es das innovativste, das sicherste und zugleich das energieeffizienteste und das ressourcenschonendste
Produkt ist.« Dem Mann muss man abnehmen, dass er es gut meinte. Doch über das Ziel verlor die EU die Methode aus den Augen.
Ein zunehmend administrativer Politikstil wird zur Regel in der Europäischen Union. Dies ist aus drei Gründen ein bedenklicher
Trend.
Erstens nimmt mit dieser Räte-Gesetzgebung die Bürgerferne Europas zu – und die Akzeptanz für Brüsseler Rechtsakte ab. Zweitens
verführen diese Gestaltungsmöglichkeiten die EU dazu, sich im Klein-Klein zu verlieren. Sie kümmert sich zu wenig um das,
was sie als supranationale Verwaltungsebene am besten regeln sollte, nämlich um überstaatliche Herausforderungen, und zusehr um die kleinen Stellschrauben. Dies führt, drittens, zu einer unheilvollen Schwungdynamik des Räderwerks Europa. Weil
es politisch einfacher ist, EU-weit die Glühbirne oder Plastiktüten zu verbieten als für echten, nationenübergreifenden Wettbewerb
auf dem Energiemarkt zu sorgen, tut die EU das Erstere und unterlässt das Letztere. Statt sich um eine tragfähige Agrarpolitik
zu bemühen, die weniger Geld verschwendet und Europas Bauern konkurrenzfähiger machen würde, schüttet sie in regelmäßigen
Abständen beruhigende Zusatzmillionen über die Landwirte aus.
Nach der Konsolidierung der europäischen Großziele Frieden, Freiheit und Wohlstand fehlen der EU Dringlichkeit und Impulse
für neue Fernziele. Die Antwort auf die Frage, was nach der Konsolidierung Europas kommen, was Integration in Zukunft bedeuten
soll, scheint zu lauten: Mikrokonsolidierung. Solange diesem Selbstverständnis niemand widerspricht, werden immer neue gesetzgeberische
Segnungen in Brüssel entstehen. Sei es für sichere Lebensmittel oder Badewasserqualität, für Garantien beim Autokauf, für
Rechtsschutz im Flugverkehr und Antidiskriminierung bei Mietverträgen, seien es Grundsätze für faire Werbung, die Begrenzung
von Kosten für europaweite Handygespräche oder Dezibeldämpfer für MP 3-Spieler .
Im besten Fall empfinden die Europäer all dies als nützliche Dienstleistung. Doch der Verbraucherschutz-Instinkt der EU wirft
eine grundlegende Frage auf. Welches Menschenbild verbirgt sich eigentlich hinter der Masse dieser Wohltaten? Ist der Europäer
aus Sicht der EU mündig – oder dauergefährdet? Ist er Bürger – oder Konsument?
Die SP D-Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt versucht, die Angst vor EU-verordneten Unbequemlichkeiten zu zerstreuen. Was etwa das kalte Licht der
Energiesparlampen betreffe, so ist sie sicher, werde »die Industrie die Alternativen bis 2011 noch deutlich verbessert haben«.
Aber wenn
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