So nicht, Europa!
lassen von dem
Apparat, ist unabdingbar, um das Absurde, das er produziert, herauszufiltern. »20 Prozent der Informationspflichten für die Betriebe erzeugen 80 Prozent der Bürokratiekosten«, hat Stoiber herausgefunden. 42 E U-Rechtsakte gebe es, welche Geschäftsführer und Buchhalter in Europa mit 344 verschiedenen Berichtspflichten belasteten. Stoiber blättert
in seinen Unterlagen, zieht eine Umfrage der Kommission hervor. »Da! 2008 haben auf die Frage, was sie mit der EU verbinden,
36 Prozent der Deutschen geantwortet: Einen Bürokratie-Moloch.«
Bei seiner Inventur des E U-Rechts trifft Stoiber immer wieder auf Fälle, die dieses Vorurteil bestätigen. Der Tachograf ist so eines. Jeder Transportunternehmer
und Handwerker in der EU muss ab einer Fahrzeuggröße von 3,5 Tonnen einen digitalen Fahrtenschreiber aktivieren – egal ob er einen Holzlaster 1000 Kilometer von Flensburg bis Garmisch steuert oder bloß eine Kommode von München nach Passau liefert. Ausnahmen gelten lediglich
für Regionalfahrten unter 50 Kilometer. »Das ist zu wenig!«, erregt sich Stoiber, der Radius müsse 150 Kilometer betragen, alles andere schnüre die Mittelständler ein. Stoiber hat genau hingeguckt. Seltsamerweise gilt die Beschränkung
nicht für Tiertransporte. »Die Kuh kann 200 Kilometer gefahren werden. Das Fleisch nicht.« Mehrere 10.000 Kleinunternehmer seien von diesem offenkundigen Unsinn betroffen. Stoiber haut mit der Handkante auf den Tisch. »Ich will
die befreien vom Tachografen!«
Der Bayer kann noch Dutzende andere Beispiele aufzählen, bei denen der gesunde Menschenverstand Einspruch gebietet gegen Auswüchse
des Rechtsetzungseifers. Die Pflicht zur Erstellung eines »Gesundheits- und Sicherheitsplans für Anlagen mit niedrigemRisikograd« ist eines für zweifelhafte Beglückungsgesetzgebung. Die Pflicht, alle Verträge über Verkäufe »im Hopfensektor«
registrieren lassen zu müssen, fällt in die Kategorie krankhafte Kontrollitis. Ganz zu schweigen von Zulassungsverfahren mit
geradezu dadaistischen Qualitäten. »Wenn Sie ein Feuerzeug auf den Markt bringen wollen«, erzählt Stoiber eine wahre Geschichte,
»müssen Sie laut E U-Recht 100 Kinder, die unter 51 Monate alt sind, an einem Ort zusammenbringen und ihnen die Feuerzeuge in die Hand geben. Wenn 15 oder mehr Kinder es schaffen,
das Feuerzeug anzukriegen, dann ist es durchgefallen.«
Besonders belastend für Gewerbetreibende seien die lästigen Handelsbilanz- und Rechnungsprüfungen, denen sich sogar alle 16 Millionen Mikrounternehmen in der EU unterwerfen müssten. Diese Papierarbeit verschlänge pro Jahr 6,3 Milliarden Euro Verwaltungskosten, hat Stoiber errechnet. Welche gesellschaftlichen Fehleinschätzungen, fragt sich der Christsoziale,
verrieten solche Regelungen eigentlich? »Dem großen Finanzmarkt haben wir vertraut, den kleinen Unternehmen nicht.« Als Nächstes
will Stoiber in Holland Betriebe besuchen, will fragen: »Was belastet euch am meisten?« Nebenbei beschäftigt sich der Bayer
mit überschießenden Regelungsinhalten der europäischen Schrott- und Batterieverordnung.
Wer Stoiber von seiner (wohlgemerkt: ehrenamtlichen) Aktenfresserei erzählen hört, der bekommt den Eindruck, dass diese Beschäftigung
für den Mann ein ebenso erfüllendes Hobby ist wie für andere Leute Gartenpflege oder Schachspielen. Während er von einem Antibürokratiegespräch
mit »dem Sarkozy« berichtet, wandert sein Energieüberschuss in seinen Ehering, er schiebt ihn abwechselt von der Daumenkuppe
der linken Hand auf den rechten Ringfinger. Es zeigt sich: Zieht man das Politische von Edmund Stoiber ab, dann bleibt ein
Amtmann mit fast schon erschreckender Leidenschaft zum Detail. Gepaart mit der Grundskepsis gegenüber der Kompetenzfülle der
E U-Kommission , macht das aus dem Mann den richtigen Aufräumer am richtigen Platz. Als der Bayer zum ersten Mal im E U-Viertel vorsprach, nannte er seine Aufgabe die eines »Sisyphus«. Heute glaubt er, er und seine Gruppe hätten »einen Schub« erreicht.
Die Kommission nehme seine Kritik dankend an, sagt er, die meisten Vorschläge zur Rücknahme von überbordender Regulierung
habe sie bereits beschlossen.
Bedauerlich nur, dass die 27 Regierungschefs der EU beschlossen haben, Stoibers Mühen einen erheblichen Ausbau der Brüsseler Bürokratie-Planungsabteilung
entgegenzustellen. Statt – wie einstmals geplant
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