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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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stellen? Von dort könnte sich doch jeder Kunde oder Händler die Werte herunterladen,
     wenn er dies möchte. Eine Kennzeichnung auf jeden einzelnen Reifen kleben zu müssen, sei aus deutscher Sicht »unverhältnismäßig
     und nicht zielgerichtet«.
    Am 25.   November 2009 fand sich, nach 42   Abänderungen durch das Europäische Parlament, eine salomonische Lösung. »Die Verordnung über die Kennzeichnung von Reifen
     in Bezug auf die Kraftstoffeffizienz und andere wesentliche Parameter« sieht vor, dass Reifen künftig ebenso wie Haushaltsgeräte
     mit Labels versehen werden müssen, die auf einer Skala von A bisG über den Rollwiderstand, das Rollgeräusch sowie das Nassbremsverhalten Auskunft geben. Der entsprechende Aufkleber muss
     entweder auf jedem Reifen oder »in unmittelbarer Nähe des Reifens in der Verkaufsstelle deutlich sichtbar angebracht« sein.
     Die Marktaufsichtsbehörden der Mitgliedsländer haben die ordnungsgemäße Anbringung zu überwachen. »Die Vorschriften zur Kennzeichnung
     durch die Lieferanten und Händler müssen unbedingt eingehalten werden, damit die mit diesen Vorschriften verfolgten Ziele
     erreicht werden können und einheitliche Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet sind«, heißt es in
     der Verordnung.

Förster im Regelwald: Edmund Stoibers Erforschungen
    Gegen Mitte des Abends fühlt sich Edmund Stoiber ernsthaft gestört von seiner Heimat. »Jaaa, ist denn das die Möööglichkeit?!«,
     ruft eine blecherne Stimme aus seiner Hosentasche. Zum dritten Mal schon unterbricht sie das Gespräch. Stoiber kramt das Handy
     hervor und entschuldigt sich. »Sie kriegen ja einen völlig falschen Eindruck von mir.« Dieser SM S-Ton , erklärt er, sei die Stimme des Stadionsprechers des FC Bayern München. Eben dort, im Stadion, hat der Verein, dessen Ehrenvorsitzender
     er ist, gerade ein Tor geschossen. Stoiber liest das Ergebnis vom Display ab. »Ha!« Er gönnt sich einen Moment seligen Lächelns.
     Dann steckt er das Handy wieder ein und kehrt zurück zu denjenigen Zahlen, die ihn – ganz ernsthaft – im Moment viel mehr
     bewegen. Stoiber sitzt in einem Hotel gegenüber dem Kommissionsgebäude und will einmal berichten, was er herausgefunden hat,
     seit er seinen neuen Job in Brüssel angetreten hat. »Also: Wenn wir es schaffen, 25   Prozent der Bürokratie in der Europäischen Union abzubauen, können wir für 1,5   Prozent mehr Wachstum in den Mitgliedsländern sorgen. Die Unternehmer sind mit so vielen Pflichten belastet, Handelsstatistiken,
     Arbeitsrecht, Umweltrichtlinien, Gleichstellungsregeln   …« Über 40   Milliarden Euro, ist Stoiber sicher, ließen sich für die Wirtschaft einsparen, wenn es gelänge, den Kontinent von wachstumshemmendem
     Regelgeflecht freizuschlagen. Was er hier in Brüssel mache, erklärt er mit aufgeregten Handbewegungen, sei recht eigentlich
     »ein Konjunkturprogramm«. Darüber mag man zweimal nachdenken müssen. Aber dann stimmt es immer noch.
    Viel Unrecht ist Edmund Stoiber widerfahren, seit sich der Ex-Ministerpräsidentkanzlerkandidatcsuchef bereit erklärt hat,
     das Dickicht des E U-Regelwaldes zu lichten. Ende 2007 berief ihn Kommissionspräsident Barroso zum Antibürokratiebeauftragten. Mithilfe einer 1 4-köpfigen »High Level Group« aus Wirtschafts- und Politikvertretern, unter anderem dem Unternehmensberater Roland Berger und dem Ex-Bahnchef
     Johannes Ludewig, soll er die europäische Gesetzgebung nach dem schlimmsten Wildwuchs durchforsten. Einen »Versorgungsposten«
     habe das Establishment ihm nach seinem Karriereabsturz verschaffen wollen, höhnte es, der Mann halte sich wohl für den neuen
     deutschen E U-Kommis sar .Und kaum war Stoiber in Brüssel angekommen, giftete es, wo bitte sei er denn überhaupt, was treibe er eigentlich? »Stoiber
     – das neue Phantom der Brüsseler Eurokratie?«, spottete die FD P-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin.
    Was stimmt, ist, dass Stoiber in Brüssel nicht gerade wohnt. »Einen Tag in der Woche«, antwortet er, verbringe er durchschnittlich
     im E U-Kommissionsgebäude . Sein Pressesprecher nimmt ihn zur Seite, flüstert ihm etwas zu. »Zwei«, korrigiert Stoiber, »schon eher zwei Tage.« Er arbeite
     halt lieber von zu Hause, von seinem Münchner Büro aus. Diese Distanz kann dem Zweck des Amtes allerdings durchaus zuträglich
     sein. Stoiber soll schließlich nicht das Staunen ausgehen über den Planeten Brüssel. Sich nicht schlucken zu

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