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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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das Land als Ganzes.« Cooper pocht auf seine Krawatte. »Genau so steht
     es heute mit der Europäischen Union. Die Nationalstaaten sind zu stark.«
    Cooper ist ein Imperialist der neuen Art. Er glaubt, dass es die Pflicht von Starken ist, andere stark zu machen. Nur so könntenauf Dauer alle ihre Stärke bewahren. »Was also gebraucht wird«, schrieb er 2002 in einem berühmt gewordenen Aufsatz 15 , »ist eine neue Form des Imperialismus, ein Imperialismus, der in einer Welt der Menschenrechte und der kosmopolitischen
     Werte akzeptabel ist. Wir erkennen bereits seine Umrisse. Es handelt sich um einen Imperialismus, der wie jeder Imperialismus
     Ordnung und Organisation bringen soll, aber der auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht. (…) Den Endzustand könnte man als
     kooperatives Imperium beschreiben.« Die EU, glaubt Cooper, biete die Vision eines solches kooperativen, wohlwollenden Imperiums.
     Deswegen baut er mit an ihr, an vorderster Front.
     
    Es ist in Mode gekommen, die Europäische Union als Imperium zu beschreiben. Der amerikanische Autor Parag Khanna nennt Brüssel
     das »neue Rom«. Die EU sei das beliebteste und erfolgreichste Imperium aller Zeiten, denn die Anreize der Europäisierung   – Beihilfen, uneingeschränkte Freizügigkeit und der Euro – seien »zu großartig, um sie nicht zu wollen«. 16 Der britische Think-Tankler Mark Leonard will eine Einflusssphäre der Europäischen Union ausgemacht haben, die von der ehemaligen
     Sowjetunion über den Mittleren Osten und Nordafrika bis nach Schwarzafrika reiche. 80   Länder und fast 20   Prozent der Weltbevölkerung umgreife diese »Eurosphäre«, glaubt Leonard anhand von Wirtschaftsdaten belegen zu können. Überall
     dort habe das europäische Projekt einen Umgestaltungsprozess in Gang gesetzt, und die Menschen hätten begonnen, »sich in ihrer
     Lebenspraxis an europäischen Prinzipien zu orientieren.« 17
    In einem pointierten Plädoyer forderte der deutsche Journalist Alan Posener die EU auf, sich ein Beispiel am Selbstbewusstsein
     des britischen Commonwealth zu nehmen. Warum so verdruckst?, fragt er die Eurokraten. Um den ideologischen Kleinmut zu illustrieren,
     in dem Europa seiner Ansicht nach gefangen ist, zitiert Posener eine der aufschlussreichsten Szenen aus dem Monty-Python-Film
     ›Das Leben des Brian‹. John Cleese
alias
Reg, Anführer der »Volksfront von Judäa«, versucht auf einem Treffen der Gruppe, die Aufständischen zu einem Anschlag auf
     die römischen Besatzer zu bewegen. Diese »Schweine« hätten den Judäern alles genommen, zürnt Reg und fragt: »Was haben sie
     je als Gegenleistung erbracht?« Dummerweise fällt seinen versammelten Kumpanen da eine ganze Menge ein. Den Aquädukt!, rufen
     sie ihm zu.Die sanitären Einrichtungen! Die schönen Straßen! Medizinische Versorgung, Bäder, Schulen, die öffentliche Ordnung! Jaja,
     wimmelt Reg ab, aber was denn bitte sonst? »Den Frieden?«, schlägt ein schüchterner Rebell schließlich vor. »Ach, halt die
     Klappe!«, fällt dem Rebellenchef daraufhin nur noch ein. 18
    Fehlt den Europäern also, wie dem bornierten Reg, nur ein wenig Realitätssinn, um zu merken, was für eine zivilisatorische
     Großmacht ihr Brüsseler Reich ist? Wollen sie nicht sehen, welche heilbringende, transformative Kraft es über seine Grenzen
     hinweg ausübt? Wollen die Regierungen Europas selbst nicht einsehen, dass die EU längst alle Züge des klassischen Imperiums
     trägt? Tatsächlich sind, macht man sich auf die Suche nach Parallelen, einige Ähnlichkeiten des »neuen Rom« Brüssel zum Imperium
     Romanum erstaunlich.
    Die EU erschafft einen wirtschaftlichen Binnenraum, in dem Rechtsbeziehungen gelten, die für Verlässlichkeit und Zusammenhalt
     sorgen. Sie errichtet dadurch eine, wie Cicero es vielleicht auch heute nennen würde, »Schutzherrschaft über den Erdkreis«
( patrocinium orbis terrarum
), wenngleich natürlich in den Grenzen ihrer administrativen Welt. 19 Die EU expandiert, wie das antike Rom es tat. Zuletzt ist sie innerhalb von nur drei Jahren, zwischen 2004 und 2007, von
     380   Millionen Menschen in 15   Ländern auf 500   Millionen in 27   Ländern angewachsen. Weitere Länder begehren, wie geschildert, Einlass. Und: Das Herrschaftsgebiet der EU ordnet sich, wie
     das römische Reich, in ein System abgestufter Partizipation. Wie konzentrische Kreise liegen einzelne Staatengruppen mit mehr
     oder weniger ausgeprägten Privilegien um die Zentrale

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