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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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Zivilisation über die Natur dar, es zeugte auch von Organisationskraft und Hegemonialwillen. Am Zustand der Straßen ließ sich
     der Zustand des Reiches erkennen. 20
    Wer heute als Tourist durch Spanien, Griechenland oder auch Nordafrika fährt, der wird am Rande exzellenter neuer Asphaltstraßen
     und Bogenbrücken zuverlässig blaue Banner mit gelben Sternen finden, die darauf aufmerksam machen, wer sie finanziert hat.
     Um »Kohäsion« zu schaffen, wie es im Brüssel-Sprech heißt, also um das Wohlstandsgefälle zwischen ihren Regionen durch verbesserte
     Transportinfrastruktur einzuebnen, gibt die EU einen großen Teil ihres Geldes aus. 347,4   Milliarden Euro stehen zwischen 2007 und 2013 für diesen Zweck im Haushaltsplan zur Verfügung.
    Für die Aufbauleistung in der Provinz belohnt sich die Kapitale selbst – dies aber nur als augenzwinkernder Hinweis auf Parallelen
     zur Antike – mit einer gewissen Dekadenz. Wer sich in Brüssel nur ein paar Tage lang durch das reichhaltige Angebot abendlicher
     Buffets gefräst hat, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bewohner der E U-Hauptstadt heute genauso mit kostenlosemGetreide versorgt werden wie einstmals die Bewohner Roms. Es gehört zum Small-Talk-Repertoire auf Stehempfängen, dass die
     Verweildauer in der E U-Hauptstadt nicht in Jahren, sondern in Kilos zu messen ist.
     
    Was für eine Art Imperium ist dieses Europa nun? Die Bezeichnung »liberales Imperium« klingt widersprüchlich, denn Imperien
     sind klassischerweise Staaten, die einen Anspruch auf Vorherrschaft oder Einverleibung anderer Staaten erheben. Wer sich Rom
     nicht unterordnen wollte, wurde in Schutt und Asche gelegt. Die Ruinen von Karthago und Korinth zeugen von der Rücksichtslosigkeit,
     mit der von Rom, der machtvollen Zentrale, aus die
Pax Romana
im Notfall durchgesetzt wurde. Wie freundlich wirkt dagegen die EU.   Sie breitet sich nicht durch Unterwerfung aus, sondern durch Überzeugung. Die Zentrale Brüssel schickt keine Statthalter in
     die Provinzen. Die EU bedient sich keiner Prokonsuln, Legaten und Legionen, um ihre Untertanen an die Gesetze zu binden. Die
     EU lebt durch den Glauben an die Richtigkeit ihrer Aufsicht. Das Treue- und Schutzverhältnis zwischen ihr und den Mitgliedstaaten
     basiert auf Gegenseitigkeit. Alle Macht, die Brüssel besitzt, verleihen ihr die Nationalstaaten. In dem Augenblick erst, in
     dem Brüssel diese Macht in die Hauptstädte zurückspielt, wandelt sie sich in eigene europäische Macht um. Die EU ist ein Imperium
     ohne auto-energische Zentrale. Sie ist ein Pingpong-Imperium.
    In einer ersten Runde haben die Mitgliedstaaten der Kommission Souveränitätsrechte über den Binnenmarkt, den Handel und die
     Währungspolitik über das Netz geschickt. Brüssel formte daraus Richtlinienbündel und schlug sie zurück in die Spielfelder
     der Nationalstaaten. Als Nächstes ließen die Mitgliedstaaten Befugnisse für die Umwelt und den Verbraucherschutz nach Brüssel
     wandern. Und wieder antwortete die Kommission mit Verordnungen, diesmal zu Glühbirnen, Chemikalien, Bodenschutz und Flora-Fauna-Habitat.
     Jetzt, im dritten Satz, ist unter anderem die Justiz- und Innenpolitik an der Reihe. Die Mitgliedstaaten liefern die Macht,
     in Grundrechte einzugreifen – die Zentrale spielt europäisch verbindliche Gesetze zurück.
    Das
Consilium
, also der Rat, bezeichnete in römischer Zeit den Statthalter mit seinen Beratern. Heute sind die Mitgliedstaaten der EU selbst
     die Statthalter des europäischen Imperiums. Sie wenden das Recht an, das Brüssel formuliert. Aber, und das macht dieEU zu einem so seltsam puddinghaften Imperium, die Mitgliedstaaten sind
zugleich
die Aufständischen des Reiches. Genauso regelmäßig wie die Mitgliedstaaten der E U-Zentrale Kompetenzen überweisen, wehren sie sich gegen Kompetenzanmaßungen in Brüssel. Wenn Kommissionspräsident Barroso in der Wirtschaftskrise
     ein europaweites Konjunkturprogramm auflegen will, pfeift die Bundesregierung ihn zurück. Wenn die Fischereikommissarin den
     Fang des bedrohten Blauflossenthunfisches verbieten möchte, laufen die Portugiesen Sturm. Als Margaret Thatcher 1984 erfuhr,
     dass die EG etwa 70   Prozent ihres Haushaltes für Landwirtschaftssubventionen ausgab, forderte sie mit Blick auf den vergleichsweise kleinen Agrarsektor
     Großbritanniens: »Wir möchten einfach unser Geld zurück!« Mit Erfolg. Der Britenrabatt beträgt seitdem ein Drittel auf die
    

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