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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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Brüssel herum.
     
    Noch vor Ende des Zweiten Weltkrieges und lange vor der Gründung der EWG schlossen sich 1944 die Exilregierungen von Belgien,
     den Niederlanden und Luxemburg zur Beneluxgemeinschaft zusammen. Sie bildet bis heute Nukleus und Avantgarde der Integration.
     Schon 2008, zwei Jahre vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages, unterzeichneten ihre Regierungen ein Nachfolgeabkommen zum
     Beneluxvertrag, das die Kooperation auf die Innen- und Rechtspolitik ausdehnte. Als zweiter Kreis formieren sich die Staaten
     der Euro-Gruppe um Brüssel herum. Die Zone des gemeinsamen Geldes steht – jedenfalls formal (siehe Griechenland) – nur besonders
     zuverlässigen Bundesgenossen offen. JederStaat, der beitreten will, muss während einer Testphase von zwei Jahren beweisen, dass seine Währung die Wechselkurskriterien
     einhalten kann, die für den Stabilitätspakt erforderlich sind. Einen weiteren Kreis bildet der Geltungsraum des Schengener
     Abkommens. Die kontrolllose Reisefreiheit, die es bietet, galt 2010 noch nicht für alle 27, sondern nur für 25   E U-Mitglieder (außerdem für die EFT A-Länder Island und Norwegen sowie für die Schweiz).
    Und schließlich gibt es Kreise, die über das rechtliche Herrschaftsgebiet hinaus in die geografische Peripherie der EU ausgreifen.
     Die Europäische Energiegemeinschaft ist ein Beispiel für einen solchen Supra-E U-Kreis , der einen Raum gemeinsamer Versorgungssicherheit schaffen soll. Neben den 27-E U-Staaten sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Serbien und das Kosovo Teil dieser Allianz. Mit Norwegen, Moldawien,
     der Ukraine und der Türkei verhandelt die EU über eine Aufnahme in diese Gemeinschaft.
    Als Nächstes gäbe es noch einen, wenn man so möchte, unpolitischen europäischen Wesensraum. Bei der Fußball-Europameisterschaft
     treten alle vier Jahre Kicker aus Aserbaidschan und Kasachstan genauso gegeneinander an wie Russen und Israelis. Die UEFA,
     also die Vereinigung Europäischer Fußballverbände, umfasst 53   Länder, sie reicht von Atlantik bis zum Pazifik und vom Polarkreis bis zum Roten Meer. Ein Beitritt Grönlands scheiterte bislang
     nur daran, dass das Land keinen Naturrasenplatz aufzubieten hat. Dass dieses weite Spektrum an Teilnehmern je das Europagefühl
     irgendeines E M-Fans beleidigt hätte, ist nicht überliefert.
    Eine noch größere Bandbreite kulturell offenbar kompatibler Regionen bilden jene Länder, die jedes Jahr mehr oder weniger
     talentierte Vertreter zum Eurovision Song Contest schicken. Bei dem Schlagerwettbewerb mitträllern dürfen alle Künstler, deren
     Heimat zur Europäischen Rundfunkunion (EBU) gehört. Die EBU wurde 1950 zu dem Zweck gegründet wurde, Nachrichtenfilme auszutauschen
     und Sendetechniken zu standardisieren. Ihr Erkennungszeichen, die Eurovisionsmelodie, ist in jedem deutschen Wohnzimmer bekannt.
     Es ist das Präludium zum ›Te Deum‹ des französischen Komponisten Marc-Antoine Charpentier (nicht zu verwechseln mit der inoffiziellen
     Europahymne, dem letzten Satz der Neunten Symphonie von Ludwig van Beethoven). Die EBU hat mittlerweile 56   Mitglieder, inklusive Libyen und den Libanon. Ist es ein reiner Zufall, dass dieser letzte und weiteste der Eurokreisean den römischen Kultur- und Herrschaftsraum des
mare nostrum
, des Mittelmeerkreises, erinnert?
     
    Es gibt eine ausdrückliche Anleihe an das Römische Reich im Brüsseler E U-Viertel . Außer den Staatschefs bekommt sie allerdings kaum je jemand zu sehen. Sie ist vor der Präsidentschaftssuite im fünften Stock
     des Justus-Lipsius-Gebäudes in den Boden eingelassen. Über knapp zehn Meter zieht sich dort eine Reproduktion der einzigen
     erhaltenen Straßenkarte des Imperium Romanum über den Flur. Das Original ruht in der österreichischen Nationalbibliothek und
     stammt aus der Spätantike. Die E U-Regie rungschefs werden es wahrscheinlich selten tun, aber wer genau hinschaut, sieht, dass Rom im Mittelpunkt der Karte liegt und sich die
     Straßen von diesem Herz aus wie rote Adern durch einen geografischen Organismus ziehen.
    Wer immer die Eingebung hatte, die Grafik auf dem Gang der Regierungsoberhäupter auszubreiten, er oder sie wird gewusst haben,
     dass Straßen in der römischen Kaiserzeit nicht nur Mittel, sondern auch Symbol imperialer Herrschaft waren. Das Wegesystem,
     über das Legionen, Steuern und Waren wanderten, stellte aus römischer Sicht nicht nur den Triumph einer technisch überlegenen
    

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