So schoen kann die Liebe sein
Schoß. Er legte die Arme um sie und nahm den blumigen Duft ihres noch feuchten Haares wahr.
„Ich mache mir Sorgen um Joe”, begann sie.
„Geht es ihm nicht gut?”
Sie schaute ihn kurz an, bevor sie den Kopf an seine Schulter legte. „Er sagte, es ginge ihm gut, aber er klang so müde.”
„Wahrscheinlich ist er es auch nur.”
„Hoffentlich.”
Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Wie kommst du darauf, dass es etwas anderes sein könnte?”
„Mütterliche Intuition. Oder vielleicht bin ich auch nur überängstlich, wie immer.”
„Du bist nur um das Wohlergehen deines Kindes besorgt, Andrea. Wie alle Mütter.”
Sie seufzte. „Ich weiß. Aber als er knapp drei war, ist er auf einen Zaun geklettert und runtergefallen. Er schien okay zu sein, doch am nächsten Morgen klagte er über Schmerzen in seiner Schulter. Ich bin mit ihm zum Arzt gefahren, und man stellte fest, dass er sich das Schlüsselbein gebrochen hatte. Ich hätte damals sofort mit ihm ins Krankenhaus fahren sollen.”
Sam hob ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. „Andrea, dieser Fehler hätte jedem passieren können. Das heißt doch nicht, dass du dich nicht um ihn kümmerst.”
„Das ist mir schon klar, doch ich kam mir wie eine Rabenmutter vor.”
„Du bist eine wunderbare Mutter. Ich hätte mir keine bessere für mein Kind wünschen können.”
Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke.” Nachdem sie ihn eine Weile prüfend angeschaut hatte, meinte sie in gespielt lockerem Ton: „Und jetzt bist du dran mit deiner Beichte. Dich bedrückt doch auch etwas.”
Sam sollte überrascht sein, dass sie ihn so leicht durchschaute, doch das war er nicht. Es schien, als hätten sie in der vergangenen Woche gelernt, sich völlig in den anderen hineinzuversetzen. Vielleicht war es schon immer so gewesen. Vielleicht würde es immer so sein.
„Ich fürchte, ich muss dir aber was Unangenehmes beichten.”
Andrea erstarrte. „Was denn?”
„Ich habe heute mit meinem Vater telefoniert. Ich soll schon am Donnerstag nach Barak zurück.”
„Du wolltest doch bis Sonntag bleiben!” rief sie frustriert. „Er schnippt einfach mit den Fingern, und du kommst angelaufen. Ich wünschte, ich würde sein Geheimnis kennen.”
„Es ist kompliziert, Andrea. Ich genieße nicht den Luxus, kommen und gehen zu können, wie es mir gefallt.”
Sie rutschte von seinem Schoß und setzte sich ans Ende des Sofas. „Es tut mir Leid für dich, Sam. Es muss furchtbar sein, solch eine Bürde zu tragen und keinen eigenen Willen mehr zu haben.”
„Ich habe sehr wohl einen eigenen Willen, aber auch Verpflichtungen”, erwiderte er wütend.
Sie verdrehte die Augen. „Ich weiß, ich weiß. Aber was ist mit den Verpflichtungen deinem Kind gegenüber? Du hast kaum Zeit mit Joe verbracht. Ist es das, worauf ich mich in Zukunft einstellen muss? Ein Vater, der immer nur sporadisch kommt?”
Sam beugte sich nach vorn und ließ den Kopf hängen. „Ich habe mir bereits darüber Gedanken gemacht. Doch ich kann nur versprechen, dass ich so oft wie möglich herkommen werde. Schließlich bin ich sein Vater.”
Andrea seufzte. „Wir haben jetzt nicht mehr viel Zeit, um es ihm zu erzählen, oder?”
Sie hatten auch nur noch wenig Zeit für sich selbst. „Stimmt.”
Andrea stand auf. „Es ist müßig, jetzt darüber zu diskutieren. Vielleicht ergibt sich ja noch eine Gelegenheit.”
„Wann müssen wir morgen früh aufbrechen, um Joe abzuholen?” Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Nicht wir, Sam. Du.”
Er runzelte die Stirn. „Was soll das heißen?”
„Ich denke, du solltest ihn allein abholen. Auf diese Weise hast du ein kleines bisschen mehr Zeit, ihn besser kennen zu lernen.”
„Aber du …”
„Ich werde ihn sehen, wenn ihr zurück seid. Außerdem habe ich ihn für den Rest meines Lebens. Dir dagegen bleiben nur noch ein paar Tage.”
Sam erkannte, wie schwer ihr diese Entscheidung gefallen sein musste. „Bist du sicher, dass du es so möchtest?”
„Ja.”
„Soll ich ihm dann schon morgen sagen …”
„Nein”, unterbrach sie ihn. „Wenn, dann möchte ich dabei sein.”
„In Ordnung.”
Sie ging zur Tür. „Gute Nacht, Sam.”
„Ich komme gleich nach.”
Sie drehte sich noch einmal um. „Entschuldige, aber ich möchte heute allein schlafen. Ich bin total erschöpft.”
Sam verstand. Auf diese Weise bereitete sie sich schon allmählich darauf vor, Abschied zu nehmen. „Wenn du es so möchtest, muss ich
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